Ein Forschungsteam hat populäre Tiktok-Videos zu ADHS untersucht. Rund die Hälfte enthielt der Studie zufolge fehlerhafte Infos. Trotzdem sind Soziale Medien auch für Gesundheitsthemen wichtige Kanäle.

Auf Tiktok gibt es reichlich Videos über die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung – besser bekannt als ADHS. Manche der Videos verleiten zu Selbstdiagnosen. Auch deshalb hat ein Forschungsteam aus Kanada und den USA populäre Tiktoks-Videos zum Thema ADHS ausgewertet – die Studie dazu ist jetzt im Fachmagazin Plus One erschienen.

Die Grundlage der Untersuchung bildete ein Sample von 100 englischsprachigen Tiktok-Videos. An einem bestimmten Tag suchten die Forschenden sich mit dem Hashtag #ADHD (das englische Kürzel für ADHS), dem zu diesem Zeitpunkt populärsten Hashtag zum Thema, die an diesem Tag meistgesehenen Videos über ADHS heraus.

Diese Clips hatten eine hohe Reichweite, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Paula Stehr, die die Studie für uns einordnet: Die hundert erfolgreichsten Videos kamen auf durchschnittlich fünf Millionen Views. Und diese Clips schauten sich dann Personen mit Expertise in klinischer Psychologie an.

"In vielen Videos werden Anekdoten gezeigt, die gar keine Symptome von ADHS gemäß entsprechender Diagnosekriterien sind."
Paula Stehr, Kommunikationswissenschaftlerin

Die Auswertung zeigte, dass die Inhalte vieler der Videos nicht den Kriterien der psychologischen ADHS-Diagnose entsprechen. Eine solche Diagnose ist komplex, sagt Paula Stehr, nicht alle Aussagen zu ADHS müssten auf alle Personen mit ADHS zutreffen. Außerdem: "Manche Dinge, wie Konzentrationsschwierigkeiten, haben auch Menschen ohne ADHS."

Tiktok ist keine ausreichende Informationsquelle zu ADHS

Problematisch sei das besonders, weil es hier um die Gesundheit geht. "Das ist natürlich ein sensibles Thema", sagt Paula Stehr, "da können Menschen ziemlich verunsichert werden."

Dass die Tiktok-Videos so populär sind, kann auch mit der schwierigen Versorgungslage zusammenhängen, vermutet die Kommunikationswissenschaftlerin "Was ADHS-Erstdiagnosen angeht, hat man lange Wartezeiten", sagt sie, "dann schauen Menschen selber, wie sie sich helfen."

Aber die Selbsthilfe via Tiktok bewertet sie als schwierig. Zum einen könne eine falsche Diagnose das Ergebnis sein. Und falls die Diagnose ADHS richtig ist, dann helfe allein das "Label" ADHS auch nicht weiter. Nur in wenigen Videos ginge es um die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wie kann ich mit einer ADHS umgehen?

Trotz inhaltlicher Probleme: Soziale Medien bieten auch Chancen bei Gesundheitsthemen

Trotzdem sieht Paula Stehr in den Sozialen Medien viele Möglichkeiten rund um ADHS. Zum einen helfen Videos Menschen, überhaupt in Kontakt mit dem Thema zu kommen – Menschen, die man sonst vielleicht gar nicht erreichen würde, sagt sie. Auch würden Stigmata abgebaut. Und: Betroffene Menschen nutzten solche Videos teils auch, um ihren Familien besser erklären zu können, was eine ADHS ist und wie sie sich damit fühlen.

"Gute, evidenzbasierte Gesundheitskommunikation müsste Menschen dort abholen, wo sie in ihrem Mediennutzungsalltag unterwegs sind."
Paula Stehr, Kommunikationswissenschaftlerin

Das heißt, die sozialen Medien bleiben wichtig, doch der Content könnte besser werden. Ideal wären Informationen, die fundiert sind und gleichzeitig so gut aufbereitet, dass sich das Menschen gerne anschauen, so Paula Stehr.

Shownotes
Gesundheit
Tiktok-Videos zu ADHS sind oft irreführend bis falsch
vom 20. März 2025
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Paula Stehr, Kommunikationswissenschaftlerin, Universität Augsburg und LMU München