Zu voll, schlechte Bausubstanz, steigende Energie-, Futter- und Personalkosten – die Situation der deutschen Tierheime ist alles andere als gut. Die Mitgliederversammlung des Deutschen Tierschutzbundes sucht nach Lösungen, inklusive Forderungen an die Politik.
Dass sehr viele Tierheime viel zu voll sind, ist nicht das einzige Problem, sagt Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
"Wir haben Platzprobleme, die Bausubstanz ist in vielen Fällen runter, wir haben Auflagen der Veterinäre und des Arbeitsschutzes, die wir erfüllen müssen – und wir kriegen immer mehr Tiere in die Tierheime, die immer länger bleiben und immer betreuungsintensiver sind."
Die marode Bausubstanz wird bei steigenden Energiekosten zum noch größeren Problem, gerade in den nächsten Monaten, wenn es kälter wird.
Finanzielle und strukturelle Sorgen
Dazu kommt: Die Tierheime müssen ihren Mitarbeitenden inzwischen mindestens den Mindestlohn zahlen. Die Personalkosten steigen also – genauso wie die Futterkosten, was unter anderem immer noch eine Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist.
Die allermeisten Menschen, die in Tierheimen arbeiten, tun das aus Überzeugung, sagt unsere Reporterin Anna Kohn: Sie lieben Tiere und kümmern sich gerne um sie. Allerdings seien immer mehr Mitarbeitende überfordert, weil die Zahl der Tiere und damit eben auch die Arbeitsbelastung immer weiter steigt.
"Jährlich müssen rund 300.000 Tiere in deutschen Tierheimem betreut werden."
In Deutschland gibt es rund 550 Tierheime und Auffangstationen, die pro Jahr über 300.000 Tiere betreuen: Hunde, Katzen, Kleintiere, Vögel – aber auch Wildtiere und zunehmend auch exotische Tiere, wie etwa Geckos oder Chamäleons.
Lage hat sich durch Corona zugespitzt
Während der Pandemie haben sich viele Menschen dafür entschieden, ein Tier zu sich nach Hause zu holen. Für viele war ein Grund, dass sie im Lockdown nicht vereinsamen wollten. Leider konnten oder wollten viele Personen das Tier dann aber nach der Pandemie nicht mehr betreuen – und trennten sich von ihm. Dadurch hat sich die Situation der Tierheime in den letzten Jahren zugespitzt.
Doch die Lage habe sich schon davor "jahrzehntelang" immer weiter verschlechtert, sagt Thomas Schröder. Die Tierheime seien alleingelassen worden. Der Tierschutzbund habe davor immer gewarnt.
"Die Kommunen haben sich billig aus ihrer Pflichtaufgabe rausgekauft, die Tierheime mit all den Herausforderungen, die gestiegen sind, alleingelassen. Und ständig wurde den Tierschutzvereinen was Neues aufgegeben. Im Grunde sind die Tierheime in Deutschland Ausputzer staatlichen Versagens."
Das Problem: Viele Kommunen haben Geldsorgen und wissen selbst nicht, wo das Geld herkommen soll. Oft fehlt sogar der finanzielle Spielraum für soziale Projekte.
Die Politik habe durchaus erkannt, dass die Tierheime durch Corona-Rückgaben – und übrigens auch durch Geflüchtete aus der Ukraine, die oft Haustiere mitgebracht haben – besonders belastet sind, sagt Anna Kohn.
"Investitionsstau in dreistelliger Millionenhöhe"
Deshalb haben die Ampel-Koalition und auch die schwarz-rote Vorgängerregierung jeweils fünf Millionen Euro für die Tierheime locker gemacht. Dafür sind die Tierheime dankbar, sagt Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder – doch die Summe reiche hinten und vorne nicht.
"Wir gehen davon aus, dass wir einen Investitionsstau in dreistelliger Millionenhöhe haben in den Tierheimbetrieben, die wir dringend machen müssen, um sie auch nachhaltig weiter betreiben zu können. Aber es gibt auch Rahmenbedingungen, die die Politik bisher verweigert hat."
Zur Lösung brauche es sehr viel Geld – und eine Anpassung der Rahmenbedingungen durch die Politik, meint der Tierschutzpräsident. Das beginne bei Fragen wie: "Welches Tier darf überhaupt von Privatpersonen gehalten werden?" Stichwort exotische Tiere. Es gehe außerdem um eine Art Sachkunde für Tierhalter: Dass also von Fachpersonal überprüft wird, ob die möglichen zukünftigen Besitzer*innen über das Tier, seine Haltung und Bedürfnisse Bescheid wissen und es eben nicht wegen Überforderung nach kurzer Zeit in ein Tierheim abschieben.