Auch wenn der "Islamische Staat" militärisch weitgehend besiegt ist, lebt das islamistische Gedankengut in vielen Anhängern weiter. In den nächsten zwei Jahren werden Hunderte Islamisten in Europa aus den Gefängnissen entlassen. Worauf wir uns einstellen müssen, und welche Rolle die Corona-Krise spielt, hört ihr im Deep Talk.
Als Terrorismusforscher beschäftigt sich Peter Neumann nicht gerade mit schönen, leichten Themen. Enthauptungsvideos anschauen oder in islamistischen Chatgruppen mitlesen – solche Dinge haben in den letzten Jahren zu seiner Arbeit gezählt. Dabei ist es wichtig, sich emotional möglichst abzukoppeln, sagt der Professor für Sicherheitsstudien am Londoner King’s College. "Ich glaube, dass es gerade als Forscher wichtig ist, dass man selbst bei schrecklichen Themen eine objektive Distanz bewahrt."
"Terroristen zu hassen ist kein besonders positives Element. Und Terroristen zu lieben oder mit ihnen zu sympathisieren, ist genauso falsch."
Mit der militärischen Niederlage des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) im Irak und in Syrien, hat auch die Zahl der terroristischen Anschläge in Europa abgenommen. Viele Anhängerinnen und Anhänger des IS hätten sich mit dem Niedergang des Kalifats in einer Sinnkrise befunden, sagt Peter Neumann. Auch wenn die Gefahr durch gewaltbereite Islamisten nicht mehr so hoch sei, wie noch vor fünf oder sechs Jahren, habe es wieder mehr Bewegung in der Szene gegeben. Denn: "Der Virus dieser Ideen ist sehr weit verbreitet", sagt Peter Neumann.
"Es wäre ein Fehler zu glauben, dass die Gefahr vollkommen vorbei ist."
Im vergangenen Jahr gab es eine Reihe islamistisch motivierter Anschläge durch Einzeltäter – in Nizza, Wien oder Dresden zum Beispiel – die die Sicherheitsbehörden haben aufmerksam werden lassen. Auch die Tatsache, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren viele inhaftierte Islamisten in ganz Europa aus den Gefängnissen entlassen werden, dürfte eine Herausforderung für die Überwachung möglicher Gefährder werden. Panik will Peter Neumann aber keine verbreiten. "Die Rückfälligkeitsrate bei Terroristen ist relativ gering."
"Die allermeisten Terroristen, die freikommen, werden sich wahrscheinlich nicht wieder terroristisch betätigen, aber ein kleiner Prozentsatz eben schon."
Den kleinen Prozentsatz ausfindig zu machen und zu überwachen oder in Deradikalisierungsprogramme aufzunehmen, wird die Sicherheitsbehörden in der kommenden Zeit beschäftigen, sagt Peter Neumann.
Auch wenn es schwierig ist zu sagen, was jeder Einzelne gegen Extremismus oder Islamismus tun kann, glaubt der Terrorismusexperte, dass es wichtig ist, das Gegenteil von dem zu tun, was Terroristen erreichen wollen. "Die Absicht von Terroristen, ist, die Gesellschaft zu spalten."
"Das Beste, was man gegen Islamismus machen kann, ist Muslime nicht anders zu behandeln als andere Menschen auch."
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