Wie wir Wärme und Kälte wahrnehmen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ein Faktor dabei ist unser Gehirn. Das können wir auch austricksen, damit uns zum Beispiel wärmer wird. Wie das geht, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

Bei 17 Grad Raumtemperatur fühlen sie manche wohl und andere sitzen mit Wärmflasche und heißem Tee eingewickelt in einer Decke. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum wir Wärme und Kälte so verschieden wahrnehmen, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

"Das Gehirn gleicht ab, wie es vorher war und versucht vorherzusehen, wie wir uns gerade fühlen."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Unser Gehirn ist so konzipiert, dass es immer versucht vorherzusehen, wie sich Temperatur anfühlt. Dabei ist das Gehirn davon beeinflusst, wie es vorher war und justiert sich immer wieder selbst nach.

Wenn wir aus dem Sommer kommen, wäre das Gehirn quasi noch an Wärme gewöhnt und wir würden bei 15 Grad wahrscheinlich noch unsere Sommerjacke oder die Übergangsjacke tragen. Nach dem Winter hingegen wäre es bei 15 Grad eher die Winterjacke, erklärt Henning Beck.

Faktor: Muskeln für Temperaturempfindung

Ins Verhältnis setzen und immer nachjustieren: Das sind Gründe des Gehirns für unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen. Auch unsere Muskelmasse spielt beim Kälte- oder Wärmeempfinden eine große Rolle. Mehr Muskeln würden dafür sorgen, dass wir nicht so schnell frieren. Eine Fettschicht isoliert die Wärme aber auch.

"Die Muskeln sind im Prinzip so etwas wie die Wärmefabrik des Körpers."
Martin Winkelheide, Wissenschaftsjournalist

Dennoch werden 80 Prozent der Wärme im Körper von den Muskeln und 20 Prozent von den Organen produziert. Männer haben von Natur aus ein bisschen mehr Muskelmasse. Daher haben sie auch einen höheren Kalorienbedarf und einen höheren Grundumsatz, weil die Wärmeerzeugung Energie verbraucht.

Im Umkehrschluss würde das heißen, wer gut trainiert ist, hat mehr Muskeln und produziert tendenziell mehr Wärme, sagt Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide. Wenn dann die Muskeln bewegt werden, wird auch noch zusätzlich Wärme erzeugt.

Beeinflussung des Temperaturempfindens

Unsere Muskelmasse können wir mit Sport beeinflussen – was allerdings etwas dauert. Schneller hingegen könnten wir besonders in den kälteren Jahreszeiten unser Gehirn beeinflussen. Das ginge mit Licht und Farbe, sagt Henning Beck. Warme Farben und warmes Licht würde nämlich dafür sorgen, dass wir Räume wärmer wahrnehmen, als sie sind. Einfache Umsetzung: Glühbirnen mit blauem Licht durch welche mit gelbem Licht ersetzen.

Klickt auf Play für das ganze Gespräch mit Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs
"Wenn wir menstruieren, krank oder einfach nur müde sind, sollten wir uns mehr Heizung gönnen – wenn es geht."

Bei aller Sparsamkeit und Gehirnbeeinflussung sollten wir aber achtsam mit uns bleiben. Denn auch Stress und Einsamkeit lassen uns schneller frösteln.

Auch Menschen, deren Anpassungsfähigkeit eingeschränkt beziehungsweise nicht mehr da ist, sollten eher zur Winterjacke greifen oder nicht aufs Heizen verzichten, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs. Darunter fallen zum Beispiel kranke Menschen, ältere Menschen, kleine Kinder und Menschen, die gestresst sind oder unter dem gesteigerten Einfluss von Hormonen stehen, beispielsweise während der Periode.

Shownotes
Temperaturempfinden
Gehirn beeinflusst Wahrnehmung von Wärme
vom 01. Oktober 2022
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler