Nachrichten schreiben: okay. Sprachnachrichten: gerne! Aber telefonieren? Lieber nicht. Unsere Haltung zum klassischen Telefonieren verändert sich.
Die Psychiaterin Nadine Wolf sagt, das liege auch daran, dass wir dank Smartphones das Telefonieren vermeiden können.
Marienova ist 32 und kommt aus Jena. Eigentlich bloggt sie zu Interiordesign, schreibt aber auch immer wieder darüber, dass sie introvertiert ist und Menschen oft meidet. Für sie war es dann auch gleich ein kleines Hindernis mit unserer Kollegin Ilka Knigge zu sprechen.
"Als ich deine Nachricht gelesen habe, da hab ich direkt Herzrasen bekommen und dachte: Oh mein Gott, ich wollte heute eigentlich noch bei einem Arzt anrufen, einen Termin machen. Das schiebe ich schon lange vor mir her. Und das habe ich jetzt erst mal gleich gemacht – also danke dir!"
Marienova sagt, manchmal braucht sie einen Anschub, aber dann ist es wie ein Pflaster abzureißen. Lieber direkt machen, dann ist es weniger schlimm und sie hat es hinter sich. Nadine Wolf, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sagt, die Angst vor dem Telefonieren sei keine eigene Phobie, sondern diese Angst ist im Bereich der Sozialphobien einzureihen.
"Da gibt es schon Forschungen, die zeigen, dass gerade bei jungen Leuten soziale Phobien sehr stark ausgeprägt sind. Es gibt Zahlen: Zehn Prozent der Jugendlichen und mehr sind da betroffen."
Als Phobie gilt eine irrationale Angst vor bestimmten Situationen, die Betroffene dann zwanghaft vermeiden möchten. Da gebe es Abstufungen. Es muss also nicht unbedingt eine Phobie sein, wenn wir nicht mehr gerne telefonieren.
"Wenn wir jetzt miteinander reden, ich weiß halt nicht, was du mich fragst. Ich glaube, es ist einfach dieses Abgeben von Kontrolle. Der Kontrollverlust."
Marienova erzählt, sie hat Tage, da geht sie auch einfach nicht ans Telefon, wenn es klingelt. Oder sie legt nach dem ersten Tuten wieder auf – wenn sie selbst jemanden anrufen muss. Sie vermeidet Telefonieren dann also komplett. Sie begründet ihre Angst damit, dass sie spontan reagieren müsse.
Bei Instagram haben uns Userinnen und User geschrieben, die ungern telefonieren. Eine Userin, die für Shows gebucht wird, hat geschrieben, dass sie schon komplette Veranstaltungen abgesagt hat, weil die Organisatoren unbedingt telefonieren wollten. Eine andere schreibt, dass Telefonieren für sie der totale Horror war, bis sie es beruflich machen musste. Seitdem geht es.
Haben wir mit den Smartphones vielleicht das Telefonieren verlernt?
Die Psychologin Nadine Wolf schätzt, dass es in Sachen Kommunikation einfach einen Wandel gibt. Zahlen dazu gibt es bisher nicht. Aber Fakt ist: Das Telefonieren zu vermeiden, klappt natürlich heute viel besser als früher, denn es gibt ja verschiedene Alternativen: Sprachnachrichten, Messenger-Nachrichten, SMS oder Mails sind ja inzwischen überall zu gängigen Kommunikationsmitteln geworden.
"Meine Strategie ist, als Erstes persönlich irgendwohin zu gehen, das kann ich eigentlich am besten."
Wer wirklich Angst hat zu telefonieren, dem könnten folgende Tipps helfen:
- Die Psychologin empfiehlt: Üben. Also ein Setting schaffen, in dem man sich wohlfühlt und dann vielleicht erst mal Anrufe machen, die nicht so wichtig oder nicht so schlimm sind.
- Und die Bloggerin Marienova sagt, ihr falle es wesentlich leichter, persönlich irgendwo vorbeizugehen.
- Und wenn sie nicht ums Telefonieren drum herum kommt, dann macht sie es an Tagen, an denen sie sich gut fühlt und verzeiht sich auch, wenn es mal nicht klappt.
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