Gerade in Großstädten herrscht oft akuter Wohnraummangel. Dabei leben einige Menschen in sehr großen Wohnungen, ohne dabei die gesamte Fläche zu nutzen. Wie könnte der prinzipiell vorhandene Wohnraum gerechter verteilt werden? Warum ein Wohnungstausch eine Lösung sein könnte – und woran es scheitert.

Die Regierungsparteien sind sich nicht einig darüber, wie sie dem Wohnraummangel begegnen wollen. Deutschlandfunk-Nova-Hörer Sven hätte da eine Idee: Anstatt neue Wohnungen zu bauen, könnte ein Wohnungstausch in manchen Fällen eine Lösung sein.

"Wieso redet ihr immer vom neuen Bauen? Man kann doch die bereits vorhandenen Wohnungen tauschen, weil viele Menschen in großen Wohnungen allein leben. Die könnten doch mit denen tauschen, die eine größere Wohnung suchen."
Sven Henig, Deutschlandfunk-Nova-Hörer

Auch wenn Svens Vorschlag in der Umsetzung natürlich nicht ganz einfach ist, macht die Idee – zumindest in urbanen Lebensräumen – Sinn. Denn dort leben deutlich mehr Menschen zur Miete, meint Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sebastian Sonntag.

"Bei Eigentum ist es natürlich schwieriger. Es geht da vor allem um ältere Menschen, die mit ihren Kindern davor in einer Vier- oder Fünfzimmerwohnung gewohnt haben – den Platz aber eigentlich nicht mehr brauchen."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Wohnraum bleibt übrig

Wenn Kinder – oder auch Partner*in – aus dem Haus sind, brauchen wir möglicherweise nicht mehr so viel Platz. Aber auch bei Paaren, die sich trennen oder wenn sich WGs auflösen, bleibt häufig Wohnraum übrig. Schätzungen zufolge gibt es deutschlandweit mindestens zwei Millionen Wohnungen, die getauscht werden könnten, weil sie für die Bewohner*innen zu groß geworden sind.

"Es ist sicher einerseits eine individuelle Sache. Aber ich denke, wer alleine wohnt, kommt auch mit einem oder zwei Räumen zurecht. Da brauchst du keine Fünf- oder Sechszimmerwohnung."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Der Platz pro Kopf ist seit 1991 immer weiter gewachsen. Damals lag er durchschnittlich noch bei knapp 35 Quadratmetern, 2021 waren es schon 50 Quadratmeter. Laut einer Studie von 2020 ist die Bereitschaft, sich im Alter zu verkleinern, bei vielen Leuten vorhanden. Auf Portalen im Internet können Interessierte sich nach Tauschwohnungen umsehen.

Es gibt einige Städte und Kommunen, die den Wohnungstausch unterstützen. Allerdings ist der bisherige Erfolg der Bemühungen überschaubar, so Harald Simons, Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, im MDR. Im Auftrag des Bundesbauministeriums hat er sechs Tauschanbieter untersucht.

"Insgesamt ist die Zahl der Tauschfälle, die tatsächlich realisiert wurden, enttäuschend niedrig. Wir reden hier von einer verschwindend geringen Zahl."
Harald Simons, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig

Die Zahl der tatsächlich getauschten Wohnungen ist Harald Simons zufolge sehr, sehr niedrig. In Prozent sei das nicht zu messen, nicht mal in Promille. "Wir müssen da schon in die chemischen Abkürzungen gehen – parts per Million – damit wir das messen können", so der Hochschulprofessor.

Förderung lohnt sich nicht

Die Stadt Frankfurt zahlte Wohnungstauschinteressierten 7500 Euro, um den Umzug zu finanzieren. Trotzdem nutzen gerade mal vier Personen die Möglichkeit des Wohnungstauschs während des Versuchszeitraums. In München gelang das in einem Versuchszeitraum immerhin sechsmal. Simons kommt zu dem Schluss, dass sich der politische und finanzielle Aufwand, den Wohnungstausch zu fördern, nicht lohnt.

DDR: Menschen per Ansprache von Wohnungstausch überzeugen

Die Stadt Potsdam ging zu DDR-Zeiten auf Bürger*innen zu, um sie von einem Wohnungstausch zu überzeugen. Zu der Zeit habe das auch noch funktioniert sagt Sebastian Sonntag. "Im Potsdam von heute funktioniert es aber nicht." Dort gab es nicht einen einzigen Wohnungstausch.

Dabei wurden insgesamt 700 Gespräche mit älteren Herrschaften in großen Wohnungen geführt. Es wurde versucht, es ihnen per Direktansprache schmackhaft zu machen. Das größte Problem ist für viele Menschen die Miete. Denn wenn jemand nach 20 Jahren in eine neue Wohnung zieht, wird die vermietende Person den Umzug nutzen, um die Mieten zu erhöhen.

"Bei einem Umzug nach langer Zeit kann es sein, dass jemand, der allein in einer Vierzimmerwohnung mit einem 20 Jahre alten Mietvertrag lebt, gleichviel oder sogar mehr zahlen müsste, wenn er oder sie jetzt in eine Zweizimmerwohnung umzieht."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Aus den Beispielen folgt aber nicht zwangsläufig, dass das Modell Wohnungstausch nur in der Theorie eine sinnvolle Sache ist.

In Österreich gibt es seit 1981 ein Recht auf Wohnungstausch, das gut angenommen wird. Allerdings liegen in unserem Nachbarland viele Wohnungen in kommunaler oder städtischer Hand. Dort ist es möglich, dass jemand, der in eine kleinere Wohnung zieht, dann auch tatsächlich weniger Miete zahlt.

Forderungen aus der Politik zum Wohnungstausch

Ein ähnliches Gesetz wollten 2019 die Grünen einführen: Wohnende sollten ein Recht auf Tausch haben – solange es die gleiche vermietende Person ist. Wenn die Person eine andere, kleinere Wohnung im Angebot hat, hätten Interessierte tauschen können. Das Ganze würde dann ohne Mieterhöhung vonstattengehen. Die alten und guten Mietverträge blieben also erhalten. Auch die Partei Die Linke fordert ein Recht auf Wohnungstausch.

Weitere politische Möglichkeiten, die einen Wohnungstausch realistischer machen würden, wäre ein Mietpreisdeckel oder auch, wenn Neubauten ausschließlich durch Genossenschaften realisiert würden. Beides hätte positiven Einfluss auf mögliche Wohnungstauschgeschäfte.

Shownotes
Mangel an Wohnraum
Wohnungstausch als Alternative zu Neubauten
vom 24. November 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter