Asha Hedayati ist Anwältin für Familienrecht. Zu ihren Mandantinnen gehören viele Frauen, die sich von ihren gewalttätigen Männern trennen wollen. Die Anwältin sagt: Gewalt fängt nicht erst da an, wo der Partner körperlich übergriffig wird.
Gerade jetzt während der Pandemie verbringen wir viel Zeit zu Hause. Nicht wenige, die in einer Beziehung leben, werden also den ganzen Tag zusammen mit ihrem Partner im Homeoffice – also zu Hause – verbringen. Aber was ist, wenn dieser Partner gewalttätig ist? Wenn zu Hause kein sicherer Ort ist?
Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Denn häusliche Gewalt richtet sich hauptsächlich und meistens gegen Frauen. Expertinnen und Experten befürchten, dass durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Zahl der betroffenen Frauen noch höher ist als sonst.
Noch gibt es keine Zahlen zu häuslicher Gewalt während der Pandemie
Asha Hedayati ist Anwältin für Familienrecht. Sie vertritt unter anderem Frauen, die sich von einem gewalttätigen Partner trennen wollen. Bislang gibt es noch keine bundesweite Statistik über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Entwicklung der Opfer von häuslicher Gewalt. Einzelne Bundesländer haben aber Polizeistatistiken veröffentlicht, die belegen: Ja, es hat eine Steigerung der Gewaltübergriffe gegeben.
"Bei uns im Büro gab es definitiv deutlich mehr Anfragen von gewaltbetroffenen Frauen als noch im Vorjahr und auch von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen, mit denen ich zusammenarbeite.""
Die Anwältin weist darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen nicht erst da anfängt, wo es zu massiven körperlichen Übergriffen kommt. Psychische Gewalt könne genauso schlimm sein für die Betroffenen, sagt Asha Hedayati. Dazu gehörten Isolation, Herabwürdigung, Beleidigung und im schlimmsten Fall Stalking.
All das seien Formen von psychischer Gewalt, die auch massive Folgen für die Betroffenen haben können. Und häufig, so berichten es betroffene Frauen, seien sie eine Vorstufe zu körperlicher Gewalt.
"Indem zum Beispiel die Betroffene isoliert wird und die Gewalt immer stärker wird und körperliche Auseinandersetzungen dazu kommen, kann sie sich immer schlechter auch vom Partner trennen."
Gerade in Fällen psychischer Gewalt ist das Dunkelfeld wesentlich höher als das, was in Statistiken erfasst ist. Davon ist Asha Hedayati auch aufgrund ihrer Erfahrungen mit Klientinnen überzeugt. Die meisten Frauen, die zu ihr kommen, hätten nie eine Anzeige erstattet und würden das auch nicht wollen. Denn ein auf die Anzeige folgendes Ermittlungsverfahren ist wahnsinnig anstrengend, so die Anwältin. Außerdem werden viele Verfahren eingestellt, weil die Beweisaufnahme schwierig ist.
Hilfe suchen bei psychischer Gewalt
Trotz allem ist es wichtig, sich auch bei psychischer Gewalt Unterstützung zu holen. Zum Beispiel bei entsprechenden Beratungsstellen, bei Frauenhäusern oder beim Hilfetelefon des Bundes. Dort gibt es im Zweifel einfach auch eine Rückversicherung für die Frauen, dass das, was sie erleben, nicht in Ordnung ist. Gerade Frauen, die Opfer von psychischer Gewalt und Gaslighting sind, geben sich häufig selbst die Schuld an ihrer Situation.
Auch Asha Hedayati versucht über ihren Twitter-Kanal, Frauen darin zu bestärken, sich Unterstützung zu suchen. Sie twittert – anonym – über Fälle von Klientinnen, denen es gelungen ist, sich aus toxischen Beziehungen zu lösen. Und auch über den Weg, den diese Frauen gegangen sind. Das zeigt anderen Betroffenen, dass sie nicht allein sind und ermutigt sie, sich ebenfalls Unterstützung oder Beratung zu suchen.
Nicht ganz so gut kommt die Arbeit der Familienanwältin bei einigen Männern an. Dann landet der Hass auch bei ihr. Der Vorwurf lautet unter anderem, dass sie die Fälle nur einseitig darstellen würde.
Zahlen zur Gewalt an Frauen:
- Jede dritte Frau in Deutschland ist von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen
- 25 Prozent aller Frauen erleben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft
- Zwei von drei Frauen erleben sexuelle Belästigung
- 24 Prozent der Frauen werden Opfer von Stalking
- 42 Prozent der Frauen erleben Formen von psychischer Gewalt
- Nur 20 Prozent der Frauen, die Gewalt erfahren, nutzen die bestehenden Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen
Quelle: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftlich Aufgaben