Hohe Inflation, weniger Lebensmittelspenden, der Krieg in der Ukraine:
Immer mehr Menschen sind auf die Hilfe der Tafeln angewiesen. Doch die sind am Limit, sagt Geschäftsführer Marco Koppe - und die Politik bediene sich am ehrenamtlichen Engagement.
Viele Tafeln in Deutschland melden gerade, dass sie an ihre Belastungsgrenze kommen. "Es war noch nie so herausfordernd wie zur Zeit", sagt Marco Koppe. Er ist Geschäftsführer der Tafel Deutschland, dem Dachverband der insgesamt 962 Tafeln deutschlandweit.
Auch Hamstern macht es den Tafeln schwer
Steigende Lebensmittelpreise, unterbrochene Lieferketten und immer mehr Bedürftige - dazu die Tatsache, dass viele Grundnahrungsmittel wie Mehl oder Öl gehamstert werden: "Das alles bringt die Tafeln an einen Punkt, wo sie gar nicht mehr wissen, wie sie darauf reagieren sollen", so der Geschäftsführer.
Normalerweise haben die Tafeln einen guten Überblick über
die Zahl an Menschen, die pro Tag zu ihnen kommen. Doch wenn neben den Stammkund*innen beispielsweise ein ganzer Bus mit Geflüchteten ankommt, dann kann es sein, dass die Lebensmittel nicht für alle reichen. Marco Koppe sagt: "Wenn man das zwei, drei Mal machen musste, dass man auch jemanden wegschicken musste, weil keine Lebensmittel mehr da sind, dann ist das schon sehr herzzerreißend."
Geflüchtete werden zur Tafel geschickt
Er berichtet, dass die Ämter Geflüchtete aus der Ukraine teils zu den Tafeln schicken, um die Zeit zu überbrücken, bis sie Sozialleistungen erhalten. "Da bedient sich der Staat auch am ehrenamtlichen Engagement. Sie verlassen sich darauf, dass es uns gibt."
Der 38-Jährige fordert daher eine staatliche Unterstützung für die gemeinnützigen Tafeln. Zum andern gehe es aber auch um Änderungen in der Sozialpolitik. Denn viele Menschen, die in Deutschland von Hartz-IV lebten, könnten sich den Einkauf im Supermarkt oder Discounter einfach nicht mehr leisten. Die Tafeln wollen ein Lebensmittelspendengesetz - damit Lebensmittel, die bei der Produktion oder Ernte nur wegen äußerlicher Merkmale aussortiert werden, gespendet werden.
"Der Hartz-Iv Regelsatz ist viel zu gering. Natürlich kommen die Menschen zu uns."
Schon lange gibt es aber auch Kritiker*innen der Tafeln. Sie sagen:
Dadurch, dass die Tafeln Hilfsbedürftige unterstützen, übernehmen sie
Aufgaben des Sozialstaats und mindern somit den politischen Druck.
Politik verlässt sich aufs Ehrenamt
Marco Koppe sieht das anders: "Wir sind ja nicht Schuld an der Situation.
Politik darf sich natürlich nicht darauf ausruhen, dass es uns gibt",
meint er. Dagegen sei man gerne Sprachrohr für von Armut betroffene Menschen und sage auch: Dass es uns gibt, ist euer Armutszeugnis.
"Es gibt so Tage, da träume ich von einem Tafelstreik, wo alle Tafeln in Deutschland einen Tag oder eine Woche mal ihre Arbeit sein lassen.“
Manchmal würde Marco Koppe den Druck auf die Politik gern weiter erhöhen, dann träumt er von einem Tafelstreik. Im Interview erzählt er, warum er trotz der herausfordernden Situation so gerne für die Tafeln arbeitet, wie genau ein Lebensmittelspendengesetz für Deutschland aussehen könnte, und wie jede*r Einzelne dazu beitragen kann, dass weniger Lebensmittel entsorgt werden.
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