Verarmte und überschuldete Bauernfamilien, Kinderarbeit und extremes Gesundheitsrisiko stecken in jeder einzelnen Zigarette, die in Deutschland verkauft wird. Dass mehr junge Menschen in Deutschland rauchen, freut die Tabakindustrie.
"Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit und die Ihrer Mitmenschen" – so steht es auf jeder Zigarettenschachtel. Trotzdem rauchen in Deutschland junge Menschen wieder häufiger. Unter den 16- bis 29-Jährigen sagen 11 Prozent, dass sie regelmäßig rauchen. 2020 waren es dagegen nur 6 Prozent. Wachstumszahlen, die die Tabakindustrie freut und die die Ausweitung der Anbauflächen finanziert.
Der Tabak, der in Deutschland geraucht wird, kommt immer häufiger aus Afrika, berichtet ARD-Korrespondentin Kathrin Hondl. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben dort Tabakunternehmen in den letzten 15 Jahren die Anbauflächen um 20 Prozent ausgedehnt, während weltweit immer weniger Tabak angebaut wird.
Der Anbau ist ziemlich aufwändig und echte Handarbeit, die von armen Bauernfamilien geleistet wird. Tabakpflanzen müssen ständig gewässert, gedüngt und Pestizide versprüht werden. Mehr als beim Gemüse- oder Getreideanbau sind die Bauern beim Tabakanbau darauf angewiesen, dass alle mitarbeiten – auch die Kinder.
Kinderarbeit auf Tabakfeldern – ein giftiger Job
Laut WHO arbeiten im Tabakanbau 1,3 Millionen Kinder. Das ist nicht nur deshalb schlecht, weil die Kinder nicht zur Schule gehen, sondern auch weil der Anbau extrem gesundheitsschädlich ist. Menschen, die auf Tabakfeldern arbeiten, nehmen laut WHO täglich so viele Schadstoffe auf, als würden sie 50 Zigaretten rauchen. Dieser Gesundheitsbelastung sind die Kinder täglich ausgesetzt.
"Wer auf Tabakfeldern arbeitet, nimmt so viel Schadstoffe auf, als würde er oder sie 50 Zigaretten am Tag rauchen, sagt die WHO. Für Kinder eine Katastrophe!"
Tabakanbau, der außerdem extrem umwelt- und klimaschädlich ist, wird auch noch durch Agrarsubventionen in Deutschland gefördert, wo der meiste Tabak aus den Anbauländern importiert wird. Deshalb erwarte die WHO von Deutschland jetzt nicht nur, dass diese Subventionen gestrichen werden, sondern auch, dass wir uns gegen die Methoden der Tabakindustrie einsetzen. Denn die macht nicht nur Raucher*innen abhängig, sondern auch die Tabakbauern.
Wie die Tabakindustrie die afrikanischen Bauern knebelt, ist unter aller Kanone, sagt Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung in Genf. Die Tabakunternehmen gewähren den Bauern Vorschüsse in Form von Saatgut, Pestiziden und Düngemitteln, die sie von ihnen erhalten. Nach der Ernte werden diese Vorschüsse vom Ertrag abgezogen. Die Preise für den Tabak diktieren die Unternehmen. Daraus entsteht laut WHO ein Teufelskreis. Statt Gewinn bleiben den Bauern Schulden, die sie abzahlen müssen. Das können sie nur, indem sie noch mehr Tabak anbauen.
Raus aus dem Teufelskreis – Tabakanbau mit Gemüse und Getreide
Um das zu ändern, hat die WHO eine Kampagne gestartet: "Grow food, not tobacco!" Zum einen fordert die WHO von ihren 194 Mitgliedsstaaten, dass sie die staatlichen Subventionen für den Tabakanbau streichen. Zum anderen fördert sie eine Art Aussteigerprogramm für Tabakbauern (Tobacco Free Farms). Die Bauern erhalten Mikrokredite, um die Schulden abzuzahlen und aus dem Teufelskreis herauszukommen.
Parallel dazu beraten Agrarexpert*innen der Welternährungsorganisation (FAO) die Bauern beim Umstieg auf andere Anbauprodukte wie Nahrungsmittel. Die FAO kauft den Bauern dann die Ernte ab, sollten sie es auf den lokalen Märkten nicht verkaufen können.
Deutschlands Verantwortung
In Kenia wird das Tobacco-Free-Farms-Programm schon erfolgreich umgesetzt. Dort bauen die ehemaligen Tabakbäuerinnen und -bauern besonders protein- und eisenhaltige Bohnen statt Tabak an. Die WHO erwartet von reichen Ländern wie Deutschland, wo am meisten Tabak aus den armen Anbauländern importiert wird, dass sie gegen die Knebelstrategien der Tabakindustrie vorgehen und nachhaltige Agrarprojekte wie die Tobacco-Free-Farms-Initiative unterstützen.