Anwar
R. und
Eyad
A. sollen für das Regime in Syrien gefoltert und gemordet haben. Die
Vorwürfe gegen die beiden Geheimdienstler wiegen schwer. Die
Journalistin Kristin Helberg erklärt, woher die Dokumente kommen und
warum das Verfahren eine so
beachtliche
Signalwirkung hat.
Anwar R. und Eyad A. haben für den Geheimdienst des Assad-Regimes gearbeitet. Ob die beiden Syrer in ihrem Heimatland Gefangene nachweisbar auch gemordet, vergewaltigt und gefoltert haben, soll ein Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz klären.
Die beiden Männer wurden 2019 von deutschen Behörden festgenommen. Zuvor hatten nach Deutschland geflüchtete Folteropfer aus Syrien die beiden wiedererkannt.
Ein Regime vor Gericht
Der Prozess stelle indirekt auch die ganze Struktur des syrischen Regimes vor Gericht, sagt die Journalistin Kristin Helberg. Eine Besonderheit des Gerichtsverfahrens in Koblenz sei: Ähnliche Verbrechen, wie sie den Angeklagten vorgeworfen werden, würden in Syrien täglich begangen.
Das sei ein ganz entscheidender Unterschied im Vergleich zu internationalen Verfahren wegen des Genozids in Ruanda. Kristin Helberg hat jahrelang in Syrien als Journalistin gearbeitet und über den Krieg in dem Land berichtet. Der Prozess in Koblenz hat für sie weitreichende Signalwirkung.
"Man wird feststellen, dass das keine Einzelfälle sind, sondern dass in Syrien tatsächlich systematisch durch den Staatsapparat gefoltert wird."
Die beiden Angeklagten unterscheiden sich im Rang. Die Tatvorwürfe gegen Anwar R. wiegen schwer. Er soll die Ermittlungen in der berüchtigten Abteilung 251 des syrischen Geheimdienstes geleitet haben, direkt für vielfachen Mord und Folter verantwortlich sein. Kristin Helberg sagt, seine Schuld werde auch nicht dadurch ausgeräumt, "dass er nachher übergelaufen ist oder sich vom Regime abgewandt hat. Trotzdem muss er sich für diese 58 Fälle des Mordes verantworten."
"Anwar R. saß in den Verhören, hat die Befehle gegeben. Deswegen trifft ihn wahrscheinlich schon eine besondere Schuld."
Weltweit haben Institutionen und Nichtregierungsorganisationen Beweise gesammelt, die die Folterungen belegen. Eine wichtige Rolle bei der Beweisführung wird, vermutet Kristin Helberg, der Fotograf Caesar spielen. Tausende Aufnahmen des ehemaligen Militärfotografen sind außer Landes geschmuggelt worden und belegen die Verbrechen des Assad-Regimes.
Insgesamt geht es um 50.000 Fotos von mehr als 6000 getöteten Gefangenen. Viele Leichname tragen Nummern, auf denen sich ablesen lässt, in welcher Geheimdienstabteilung sie inhaftiert waren und folglich zu Tode gekommen sind. Die Bundesanwaltschaft wertet diese Fotos seit Monaten forensisch aus und konnte deshalb gezielt nach Opfern der Abteilung 251 des syrischen Geheimdienstes suchen. Aus Sicherheitsgründen verwendet der Fotograf einen Decknamen.
China und Russland im Blockademodus
Das Verfahren findet in Deutschland statt, erklärt Kristin Helberg, weil Russland und China als Konfliktbeteiligte im Weltsicherheitsrat verhindern, dass die Verbrechen in Syrien vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verhandelt werden. In Deutschland gilt das Weltrechtsprinzip. "Wir können Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann vor Gericht verhandeln, wenn das gar nichts mit Deutschland zu tun hat.", sagt Kristin Helberg.
"Der Täter ist nicht deutsch, das Opfer ist nicht deutsch. Das hat ganz woanders stattgefunden. Trotzdem kann unsere Justiz dafür zuständig sein."
Hinweis: Zum System staatlicher Folter in Syrien und dem Verfahren in Koblenz hat die Journalistin für den Deutschlandfunk einen längeren Radiobeitrag verfasst. Hier könnt ihr in anhören.