Deutschland, Frankreich, Russland und die Türkei beraten in Istanbul über Syrien. Welche diplomatischen Optionen liegen dort auf dem Tisch? Darüber haben wir mit der Syrienexpertin Kristin Helberg gesprochen.
Zur Beilegung des Syrien-Konflikts gibt es eine neue diplomatische Initiative: Am Samstag (27.10.2018) treffen sich Recep Tayyip Erdoğan, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und der russische Präsident Wladimir Putin.
Die vier Regierungschefs kommen auf Einladung des türkischen Präsidenten in Istanbul zusammen, um über den stockenden Friedensprozess und die Lage in der letzten Rebellenbastion Idlib zu sprechen.
Idlib-Offensive soll verhindert werden
Wir haben die Journalistin und Syrienexpertin Kristin Helberg gefragt, wie sie die Situation vor der Konferenz einschätzt. Die Türkei und der Westen sind sich einig: Sie wollen eine Offensive auf die von vorwiegend islamistischen Milizen kontrollierte Provinz Idlib vermeiden.
Sie fürchten eine hohe Zahl ziviler Opfer und Flucht und Vertreibung als Folge eines Angriffs. Ihn zu verhindern, sollte wohl auch das wichtigste Ziel der Zusammenkunft sein. Für Recep Erdoğan hat das Treffen den Vorteil, dass sich der autoritäre Staatschef als Diplomat inszenieren kann.
"Erdoğan braucht dringend positive Schlagzeilen. Er möchte sich gerne als Vermittler zwischen Europa und Russland positionieren."
Kristin Helberg vermutet, dass Frankreich und Deutschland außerdem versuchen werden, Russland zur Zustimmung zu einem syrischen Verfassungskomitee zu bewegen.
Das Gremium soll auf Initiative der UN über eine neue syrische Verfassung beraten. Geplant ist, dass 150 Teilnehmer dem Land eine neue Verfassung geben. 50 sollen vom Regime, 50 von der Opposition und 50 von der UN benannt werden. Damaskus und Moskau blockieren diesen Plan.
"Die Idee ist, dass man ein bisschen Druck ausübt auf Wladimir Putin, damit er in Damaskus dafür sorgt, dass sie endlich der Verfassungsversammlung zustimmen. Das wäre eine symbolische Geste."
Angesichts einer drohendenden Offensive syrischer und russischer Truppen auf Idlib einigten Recep Erdoğan und Wladimir Putin sich am 17. September auf die Schaffung einer entmilitarisierten Zone am Rand der Rebellengebiete. Rechtzeitig vor Ablauf einer Frist zogen die Rebellen ihre schweren Waffen aus der Pufferzone ab, doch sind dort viele Dschihadisten und Rebellen weiterhin präsent.
Syriens Zukunft mit Assad
Wie es in einer friedlichen Zukunft Syriens mit Präsident Baschar al-Assad weitergehen könnte, bleibt unklar. Kristin Helberg meint, dass auch der Westen den weiteren Verbleib Assads in einer politischen Funktion – in welcher Form auch immer – akzeptiere.
"Im Grunde hat sich die ganze Welt damit abgefunden, dass Präsident Assad an der Macht bleibt. Ob das Land damit Frieden finden wird, ist eine andere Frage."
Unser Bild zeigt die Stadt Kafr Zita am 18. September 2018. Sie befindet sich im Norden Syriens und wird von Rebellen kontrolliert.
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