In Syrien sind Milizen auf dem Vormarsch. Aleppo ist fast vollständig eingenommen. Baschar al-Assad und seine Armee halten sich nur dank ausländischer Unterstützer an der Macht. Doch die sind selbst in der Defensive, sagt Syrienexpertin Kristin Helberg.
Seit dem 27. November läuft im Nordwesten Syriens eine größere militärische Offensive gegen Machthaber Bashar al-Assad und dessen Armee. Ein Hauptakteur ist die Koalition sunnitischer Milizen mit dem Namen Hayat Tahrir al-Sham – kurz HTS.
Die syrische Armee musste sich bis zum 30. November aus einer Vielzahl von Dörfern und schließlich auch aus der Großstadt Aleppo zurückziehen. Der Konfliktverlauf lässt sich bei liveuamap.com recht aktuell nachvollziehen.
"Das ist ein historischer Moment, dass jetzt fast die gesamte Stadt Aleppo kampflos von Assad den Gegnern überlassen wird."
Während die HTS es auf den Sturz Bashar al-Assads abgesehen hat, versuchen von der Türkei unterstützte Milizionäre, kurdische Gruppen aus der Region zu vertreiben, erklärt Kristin Helberg. Die Journalistin und Autorin berichtet seit vielen Jahren aus Syrien, ist Autorin verschiedener Bücher über die Region und beobachtet den Bürgerkrieg im Land von Beginn an.
Asssad braucht Unterstützung
Einnahmequellen des Machthabers sind ganz wesentlich die humanitäre Hilfe, die er ins Land lässt und der Drogenhandel. Sein Regime lebt vom Captagon-Handel, sagt Kristin Helberg. Mehr denn je sind Bashar al-Assad und sein Regime auch auf Verbündete im Ausland angewiesen.
"Assad alleine kann nicht an der Macht bleiben. Er braucht ganz dringend Unterstützung von außen", sagt sie. Doch die wichtigsten Verbündeten Bashar al-Assads sind der Iran, die Hisbollah und Russland. Alle drei sind jeweils in andere, größere Konflikte involviert: die einen in den Krieg mit Israel, Russland in den Krieg mit der Ukraine.
"Assad wäre ohne die Unterstützung von außen längst nicht mehr an der Macht."
Innerhalb dieses Unterstützerlagers für Bashar al-Assad herrscht eine Art Arbeitsteilung. Kristin Helberg beschreibt sie so: Während Russland vor allem mit Bombardierungen aus der Luft eingreift – auch während der aktuellen Offensive der HTS – unterstützen iranisch-geführte Milizen die Armee Assads am Boden.
Team-Assad: Russland und Iran
Beide Seiten haben dabei ganz spezifische Interessen an Syrien: Russland unterhält den Mittelmeerhafen Tartus und den Luftwaffenstützpunkt Khmeimim in der Nähe von Latakia.
Der Iran braucht Syrien als Nachschubweg, denn die iranische Unterstützung für die Hisbollah – oder was von ihr noch übrig ist – muss das Land auf dem Weg in den Libanon passieren, erklärt Kristin Helberg. Nun wird sich zeigen, wie lange beide Staaten Syrien noch zu ihrem Einflussgebiet zählen dürfen.