Die islamistische Rebellengruppe HTS hat in Syrien Assad gestürzt und die Kontrolle übernommen. Der syrische Journalist Sulaiman Tadmory erzählt, warum er die HTS nicht fürchtet und warum Syrer und Syrerinnen feiern und auf einen stabilen Frieden hoffen.
Sie jubelten und tanzten auf den Straßen, schossen in die Luft, rissen Statuen nieder – Am Wochenende vom 7. und 8. Dezember 2024 feierten die Menschen in Syrien etwas, das sich viele auch in der internationalen Politik kaum noch vorstellen konnten: den Sturz des Machthabers Bashar al-Assad.
24 Jahre lang war er Syriens Staatspräsident. Seit 14 Jahren herrschte Bürgerkrieg, immer wieder ging das Regime brutal gegen die eigene Bevölkerung vor. Nun erhält Assad mit seiner Familie in Russland Asyl "aus humanitären Gründen", wie es aus dem Kreml heißt.
Nach 24 Jahre an der Macht schien Assads Sturz unvorstellbar
In der Zeit des Bürgerkriegs sind 500.000 Menschen gestorben, sechs Millionen Menschen waren vor Assads Regime geflohen. Einer der Geflohenen ist Sulaiman Tadmory. Er kam 2015 nach Deutschland und arbeitet in Hamburg als Journalist und Filmemacher für den NDR. Dass es tatsächlich mal ein Syrien ohne Assad geben könnte, damit hatte auch er nicht mehr gerechnet.
"Dass mein Zuhause, meine Heimat befreit ist, ist für mich unbeschreiblich. Aber das Wichtigste ist, dass die Gefangenen aus den Foltergefängnissen frei kommen."
Gestürzt wurde Assad von verschiedenen Rebellengruppen unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Sie kontrollieren inzwischen große Gebiete Syriens. Der HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dscholani war in der Vergangenheit Anhänger der Al-Qaida.
Mit der hat er offiziell aber gebrochen und gibt sich inzwischen gemäßigter. Tatsächlich ging er nach dem Sturz schnell auf die Institutionen im Land zu und führte Gespräche mit den in Syrien verbliebenen Ministern. Sein Ziel wohl: eine geordnete Machtübergabe in die Wege zu leiten, vermutet Deutschlandfunk-Nova-Korrespondentin Nina Armin.
"Die Anhänger wurden immer wieder aufgerufen, keine Gewalt anzuwenden. Das gibt natürlich Hoffnung."
Sulaiman Tadmory kritisiert die einseitige Darstellung und Einordnung der HTS in den deutschen Medien: "Ja, da sind Islamisten und Konservative. Aber man muss stark unterscheiden zwischen diesen Leuten und dem IS.“ Sulaiman erzählt auch, dass er sehr viele Menschen kennt, die sich der HTS angeschlossen haben, um, so sagt er es, "für die Freiheit, für unsere Heimat, für unser Zuhause zu kämpfen".
Um deutlich zu machen, was die HTS charakterisiert, verweist Sulaiman auf die Region Idlib: Dort leben viele Christen und sie können selbstverständlich ihre Religion ausüben, sagt er. Das sei ein Beleg dafür, dass Minderheiten nicht unterdrückt werden.
Hoffen auf eine geordnete Machtübergabe
Golineh Atai hat die Rebellenhochburg Idlib bereist. Die ZDF-Korrespondentin berichtet auch, dass Christen ihre Religion relativ offen leben können. Allerdings spricht sie in Bezug auf die HTS durchaus von autoritärer und erzkonservativer Herrschaft. "Ich habe die islamistische Gesinnung ganz klar gesehen", sagt sie. "Mädchen und Frauen können zwar zur Schule und in die Universität gehen, aber die Universitäten sind eben strikt nach Geschlechtern getrennt."
Doch die HTS ist nicht die einzige Gruppierung, die in Syrien aktiv ist. Im Osten kontrolliert der IS Gebiete, im Norden hat die Türkei Gebiete besetzt, und im Nordosten leben Kurden in einem selbst verwalteten Gebiet. In der Türkei sprechen Regierungsmitglieder davon, Syrien könne seine Zukunft jetzt selbst neugestalten. Korrespondentin Nina Amin sagt, dass es jetzt vielleicht wirklich einen Weg für Syrien zurück zur Stabilität gibt.
"Man kann nur hoffen, dass die Syrer selbst die Chance haben werden zu entscheiden, wie es weitergehen soll."
Ohne Assad wird die Zukunft Syriens in jedem Fall besser, davon ist Sulaiman Tadmory überzeugt. Doch wie sie wird, sagt auch er, weiß niemand. Für viele Syrerinnen und Syrer steht nun aber Freude im Vordergrund, auch die Freude darauf, in ihr Heimat- oder Herkunftsland zu reisen, Freundinnen, Freunde und Familie endlich wiederzusehen.
"Alle nehmen gerade Urlaub und buchen Flüge", berichtet Sulaiman. Auch er will los, wartet aber noch auf das Go der ARD. Denn Sulaiman will die Zeit in Syrien auch dafür nutzen, einen Dokumentarfilm zu drehen, um diese für Syrien, Syrer und Syrerinnen historische Zeit festzuhalten.
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