Wie geht es weiter in Syrien? Während sich in Warschau die USA mit Vertretern der osteuropäischen Staaten treffen, hat Russland die Präsidenten der Türkei und Irans nach Sotschi geladen. Die Positionen könnten unterschiedlicher kaum sein.
Im russischen Sotschi treffen sich am 14. Februar 2019 Vladimir Putin, Recep Erdogan und Hassan Rohani zum Syrien-Gipfel. Die Machthaber aus Russland, der Türkei und Iran wollen über die Zukunft Syriens beraten. Vor dem Hintergrund, dass die USA ihren Rückzug aus Syrien angekündigt haben, sind die drei Präsidenten aktuell die wichtigsten Akteure im Syrien-Konflikt.
Bei den Gesprächen geht es nicht um eine politische Lösung, sagt Journalistin Kristin Helberg, sondern darum, wer das Land wie in der aktuellen Nachkriegsordnung beeinflusst. Denn militärisch gesehen hat Syriens Machthaber Assad den Krieg mit Unterstützung von Russland und Iran gewonnen, erklärt die Syrien-Expertin. Jetzt soll sichergestellt werden, dass sich der jahrelange Einsatz gelohnt hat – für Russland, den Iran und auch die Türkei.
"Also diese massive Intervention, militärisch, aber auch politisch, diplomatisch und wirtschaftlich - jetzt sollen die eigenen Interessen dauerhaft gesichert werden."
Für die Menschen in Syrien wird sich dadurch nichts verbessern, meint Kristin Helberg. Denn es gehe nicht um deren Lebensumstände, sondern darum, dass Assad an der Macht bleibt. Das heißt aber auch, dass der Geheimdienststaat bleibt, die staatliche Willkür, die Korruption und die Vetternwirtschaft. Und auch die Verfolgung und Inhaftierung der Gegner Assads gehe dadurch einfach weiter.
"Das ist im Grunde die Wiederherstellung der alten Ordnung mit einem geschwächten Assad, weil er jetzt komplett abhängig ist von Russland und Iran."
Das Ziel von Russland ist, dass Assad die Kontrolle über ganz Syrien zurückgewinnt und als Machthaber international anerkannt wird. Das hätte zur Folge, dass andere Länder den Wiederaufbau finanzieren und sich die Beziehungen nach Damaskus normalisieren, sagt Kristin Helberg.
Putin mit verlockenden Angeboten
Für die Unterstützung des syrischen Wiederaufbaus hält Vladimir Putin oberflächlich betrachtet verlockende Argumente für die europäischen Länder bereit. Denn die würden schließlich wollen, dass die Syrer wieder in ihr Land zurückkehrten.
"Das wäre ein großer Fehler. Denn in Wirklichkeit verhindert der Wiederaufbau in Syrien wie Assad ihn durchführt die Rückkehr von Geflüchteten."
Ein Wiederaufbau unter Syriens Machthaber Assad würde das Land aber gerade nicht sicherer machen für die, die geflohen sind, sagt Kristin Helberg. Denn unter Assad würden die Menschen enteignet und dauerhaft vertrieben.
Auch für den türkischen Präsidenten Erdogan hält Russland Präsident Putin ein verlockendes Angebot für die Unterstützung Assads bereit. Sein Argument: Besser, Assad kontrolliert die Grenzen als die kurdische PED. Die PED gelten als Waffenbrüder der PKK. Aktuell ist der Plan der Türkei, den Nordosten Syriens anzugreifen, um sie dort zu vertreiben.
Spaltung zwischen West- und Osteuropa
Dass Assad weiter an der Macht bleiben wird, damit haben sich viel Staaten inzwischen abgefunden. Die Positionen dazu bleiben aber wohl vornehmlich unversöhnlich. Denn insbesondere Westeuropa besteht auf einen politischen Wechsel in Syrien.
"Es gibt mehr als 80.000 politisch Gefangene in diesen Gefängnissen, die immer noch jeden Tag systematisch gefoltert werden."
Für Kristin Helberg ist Syrien damit kein Land, zu dem wieder normale Beziehungen aufgebaut werden können. Erst vor wenigen Tagen wurden in Deutschland zwei Geheimdienstvertreter Assads festgenommen. Sie sollen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden.
In Europa gibt es Bestrebungen, dieses Regime beziehungsweise deren Vertreter vor Gericht zu stellen. Auf der anderen Seite stehen die USA, die in Warschau Verbündete aus Osteuropa um sich versammelt haben. Denn die USA wollen sich aus Syrien zurückziehen. US-Präsident Donald Trump sagt ganz klar, er möchte, dass andere sich um den Kampf gegen den IS und die Einhegung des Iran kümmern. Das zeigt sich auch am Aufkündigen des Atomabkommens.
Dagegen stehen Deutschland, Frankreich und England, die den Dialog mit Iran wollen und das Atomabkommen als Erfolg sehen. Denn nur zusammen mit dem Iran könnten auch die Konflikte gelöst werden, so die Haltung der drei Länder.
"Wir sehen insgesamt nur sehr verschiedene Positionen aus denen nicht irgendwie eine neue Ordnung oder eine neue Stabilität hervorgehen kann für den Nahen Osten."
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