• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Warum müssen wir weiterhin sexistische Werbung ertragen? Anscheinend gibt es sehr einfache Lösungen. Das zeigt nicht nur Stuttgart: Die Stadt bindet die Verträge für Plakatwerbung an klare Kriterien. Doch es fehlt eine bundesweite Regelung.

Die Stadt Stuttgart vergibt für 2021 und 2022 die Verträge für Plakatwerbung in der Stadt neu. Und die Firmen, die sich bewerben wollen, sollen neue Kriterien erfüllen.

Nach einem Antrag der Grünen im Stadtrat soll ein Katalog mit Vorgaben entstehen, der sexistische, herabwürdigende und diskriminierende Werbung in Bild oder Wort untersagt. "An diesen Kriterien sollen sich die Plakatwerber orientieren und per Vertrag dann auch daran halten", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sebastian Sonntag.

Stuttgart verbannt sexistische Werbung

Das klingt simpel. Leipzig hat sich 2018 neue Regeln gegen sexistische Werbung im öffentlichen Raum gegeben und gilt als Vorreiter. Der Deutschlandfunk berichtete. Auch München zog nach. (Korrektur: In einer früheren Version hieß es, dass Stuttgart Vorreiter ist.) Doch bundesweit gibt es diese Regeln gegen sexistische Werbung eben nicht. Und das, obwohl das Problem auch der Regierung lange bekannt: Zum Beispiel wurde seitens des Bundesfamilienministeriums die Hamburger Organisation Pinkstinks mit dem Monitoring sexistischer Werbung für eine Dauer von zwei Jahren beauftragt. Unter Werbemelder*in kann sexistische Werbung gemeldet werden. Pinkstinks hat die Ergebnisse 2019 in einer Studie ausgewertet.

Es gab tausende von Meldungen, sagt Stevie Schmiedel, Genderforscherin und Pinkststinks-Gründerin, 2020 in einem Interview mit dem ZDF Magazin Frontal 21. Die Hinweise haben sich weniger auf die großen Plakatwände und Kampagnen mit viel Werbegeld bezogen. Meist wurde Werbung im Handwerk und Kleinhandel gemeldet.

"Wir haben 5000 Zusendungen bekommen. Und davon war wirklich die Mehrzahl sexistisch."
Stevie Schmiedel, Genderforscherin und Pinkststinks-Gründerin im Interview mit dem ZDF

"Wir machen alles wieder nackig" war einer der sexistischen Slogans einer Firma, die Entlackung und Entrostung von Autos anbietet. Verbunden war der Spruch mit dem Foto einer Frau, die ihren Slip auszieht. Anderes Beispiel: Die Werbung für eine Fleischerei-Maschine zeigte eine wenig bekleidete Frau in eindeutiger Pose mit dem Slogan: "Jeder Schinken braucht die korrekte Behandlung."

Warum kümmert sich nicht die Politik?

Warum wir weiterhin solche Werbung ertragen müssen? "Offensichtlich fehlt das Problembewusstsein", sagt Sebastian Sonntag. Bei jenen, die sich solche Werbung ausdenken. Aber auch zumindest bei einem Teil der Leute, die solche Werbung anschauen und es nicht schlimm finden.

Und die Leute, die sexistische Werbung doof finden, können sich zwar beim Deutschen Werberat beschweren. Doch meist ist das folgenlos. Der Werberat nimmt zwar Hinweise auf sexistische, rassistische oder diskriminierende Werbung an und kann eine Rüge erteilen, die ist allerdings ohne Konsequenzen. "Der Werberat ist eine Selbstkontrolleinrichtung der Deutschen Werbewirtschaft. Da entscheiden Leute aus der Werbeindustrie über ihre Kolleginnen und Kollegen", sagt Sebastian Sonntag.

Aber auch in der Politik fühlt sich niemand verantwortlich für das Thema und für so simple Lösungen, wie sie Stuttgart vormacht.

"Vielleicht fehlt in der Politik auch der Mut, sich mit dem Thema zu beschäftigen."
"Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Die Ergebnisse des Monitorings sexistischer Werbung durch Pinkstinks liegen dem Bundesfamilienministerium seit Oktober 2019 vor. Doch passiert ist nichts. Bei Pinkstinks hat sich niemand mehr gemeldet, so Stevie Schmiedel gegenüber dem ZDF. "Das sind 400.000 Euro, die uns gegeben wurden für zwei Jahre, um die Studie zu machen. Und jetzt interessiert sie niemanden", sagt Stevie Schmiedel. Das sei auch nicht fair den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber.

Shownotes
Plakatwerbung
Stuttgart gegen sexistische Werbung
vom 20. Januar 2021
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk-Nova-Reporter