Flexible Arbeitszeitmodelle können zum Problem für Arbeitnehmer werden – zumindest, wenn sie Teil einer Managementstrategie sind. Überstunden sind nur ein nachteiliger Effekt.
Homeoffice, Gleitzeit und Co werden gerne als Win-Win-Maßnahmen angepriesen: Annehmlichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und bessere Arbeitsergebnisse für Unternehmen. In der Praxis führt diese Flexibilität aber oft zu längeren Arbeitszeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Frauen und Männer mit Kindern nutzen der Studie zufolge flexible Arbeitsmodelle wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice unterschiedlich: Bei Vätern erhöht sich häufig die Gesamtarbeitszeit. Frauen mit Kindern, die flexibel arbeiten, wenden auch häufig mehr Zeit für die Arbeit auf, nehmen sich aber vor allem mehr Zeit für die Kinderbetreuung. Also können flexible Arbeitsmodelle auch dazu beitragen, tradierte Geschlechtermuster zu festigen.
Flexible Arbeitszeitmodelle als Managementstrategie
Der Studie liegt eine Befragung von mehreren tausend Haushalten zugrunde. Yvonne Lott ist die Hauptautorin der Studie – sie ist Gender- und Arbeitszeitforscherin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Grundsätzlich begrüßt sie die neuen Arbeitszeitmodelle. Je nach Unternehmenskultur sieht sie allerdings Probleme und handfeste Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Sie sagt, das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle sei häufig Teil einer High-Performance-Managementstrategie. Unternehmen versuchten auf diesem Weg also gezielt, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu bringen.
"Das Versprechen, du kannst arbeiten, wann du willst, ist häufig eine Strategie in den Unternehmen. Die ist verbunden mit engen Deadlines. Damit Beschäftigte wirklich länger arbeiten."
Yvonne Lott hat beobachtet, dass sich oft die jeweilige Unternehmenskultur durchsetzt. Wenn flexible Arbeitszeitmodelle angeboten werden, das Unternehmen aber eine starke Präsenzkultur pflegt, führe das häufig zu Überstunden.
"Das ist die Vorstellung: Beschäftigte sind dann ideale Arbeitskräfte, wenn sie wirklich Überstunden arbeiten."
Um die Gleichstellung zu fördern und die zeitliche Belastung von Eltern zu reduzieren, empfiehlt sie, die Zahl der Partnermonate beim Elterngeld von zwei auf sechs Monate zu erhöhen. Das könnte Väter motivieren, sich stärker in der Kinderbetreuung zu engagieren. Außerdem fordert sie die Abschaffung des Ehegattensplittings, weil es eine ungleiche Verteilung zwischen den Partnern fördere. Einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice, wofür sich die SPD momentan einsetzt, hält die Gender- und Arbeitszeitforscherin hingegen für sinnvoll.
"Ein Recht auf Homeoffice finde ich eine gute Sache, weil da Beschäftigte wirklich sagen können: Das ist mein Recht und dann habe ich auch nicht das Gefühl, ich habe ein Privileg und muss mich jetzt besonders anstrengen, um mir das zu verdienen."
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