Wir sind immer noch ansteckend. Grippale Infekte, soweit die Nase läuft - in der Bahn, der Uni, im Supermarkt. Wir können den Verursachern leider nicht aus dem Weg gehen. Oder doch? Forscher haben herausgefunden, dass wir auf kleinste Signale reagieren.
Husten oder eine Rotznase sind gar nicht nötig, damit unser Gehirn merkt, das Gegenüber ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. Wir bemerken das unbewusst an der Körpersprache und auch am Geruch, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.
"Unser Gehirn braucht keine eindeutigen Hinweise wie eine schniefende Nase - wir haben tatsächlich eine Art Krankheitssinn. Wir können unterbewusst erkennen, ob jemand kränkelt."
Bei einer Studie ging es darum, ob wir bei anderen Menschen erkennen können, dass sie krank sind oder nicht. Die Probanden mussten dafür krank sein - und sie ließen sich für einen Kinogutschein "ein bisschen infizieren", berichtet Henning Beck. Mit im Infektionspaket: Ein kleiner Fieberschub mit Schweißausbrüchen.
Eine andere Gruppe sollte anhand von Porträtfotos und Schweißproben der kranken Teilnehmer beurteilen, ob die Gruppe infiziert und krank war oder nicht. Das Ergebnis bestätigt, dass uns subtile Hinweise schon genügen, um treffend einzuschätzen, wie es dem anderen geht.
Verblüffend ist auch: unterbewusst reagieren wir auf diese Information. Will heißen: Ist Flucht oder Zuwendung angesagt?
"Wenn mein kleiner Nachbar in sein Lätzchen niest, ist das hygienemäßig so Mittel. Seine Mutter hat aber kein Problem damit, ihm die Rotznase abzuwischen und ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken."
Gehirnregion kombiniert Sinneseindrücke
Bei der Studie wurde eine Region im Gehirn gefunden, die genau dafür zuständig ist. "Sie liegt im hinteren Scheitelbereich, fast da wo der Nacken anfängt", erklärt der Neurowissenschaftler. "Dort laufen viele Sinneseindrücke zusammen". In dieser Gehirnregion wird auch entschieden ob ich mich wegdrehe oder mich um den anderen kümmere.
"Wenn das nächste Mal jemand in der S-Bahn neben mir richtig abhustet, und ich drehe mich weg, dann ist das ein Automatismus im Gehirn - ich kann nichts dagegen machen. Das darf man nicht persönlich nehmen."
Die individuelle Reaktion auf menschliche Bakterienschleudern ist also ganz unterschiedlich. Da spielt es dann eine Rolle, ob wir den anderen mögen oder es uns vielleicht etwas bringt, wenn wir uns um ihn kümmern, erklärt Henning Beck: "Wir sind sehr gut darin, andere zu lesen."
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