90 Prozent der Deutschen erleben den Straßenverkehr als aggressiv. Das kann an unserer subjektiven Wahrnehmung und auch begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten liegen, erklärt der Verkehrspsychologe Christian Maag. Er empfiehlt: Wir brauchen mehr Rücksicht!
Egal ob im Auto, auf dem Fahrrad oder zu Fuß: Viele Situationen im Straßenverkehr ärgern uns. Oft werden wir dann sogar aggressiv. Das ist ein Problem. Und deshalb diskutieren Verkehrsexperten, Wissenschaftler und Juristen das Thema auch dieses Jahr beim Deutschen Verkehrsgerichtstag. Sie wollen Lösungen für die Aggressivität im Straßenverkehr finden.
Auto als Projektionsort für Frust
Gerade im Auto neigen wir dazu unseren Frust rauszulassen, weil wir dort ungestört rumschreien können, sagt die Verkehrspsychologin Parichehr Scharifi. Oft ist das aber Ärger oder Wut, den wir aus anderen Lebensbereichen auf unsere Autofahrt übertragen, meint sie. Zumal wir dächten, die volle Kontrolle über das Auto zu haben. Im Straßenverkehr könne das Auto dann zu einem Mittel werden, mit dem wir uns gegen vermeintliche Missstände wehren.
Zudem ist die Kommunikation im Straßenverkehr auf wenige Möglichkeiten, wie Blinker, Lichthupe oder Handzeichen, begrenzt, ergänzt Christian Maag. Er arbeitet am Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften und hat zu Aggressionen im Straßenverkehr geforscht. Das könne zu Missverständnissen führen. Wir interpretieren zum Beispiel das Aufleuchten der Lichthupe der hinter uns fahrenden Person als aggressiv, obwohl die Person es nicht in der Art gemeint hat, so der Psychologe.
"Wir beurteilen die Situation, in der wir uns befinden, sehr stark aus unserer eigenen Perspektive."
Wir beurteilen Situationen sehr stark aus unserer eigenen Perspektive, erklärt er. Die Folge: Wir können das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer nicht nachvollziehen. Uns fehle das Verständnis für die anderen. Es gebe auch Fahrerinnen und Fahrer, die absichtlich aggressiv auf der Straße unterwegs sind, fügt er hinzu.
"Lustigerweise haben Radfahrer, wenn sie dann Auto fahren, auch nicht unbedingt mehr Verständnis für andere Radfahrer."
Oft liegt unser Eindruck, andere sind aggressiv, aber an unserer subjektiven Wahrnehmung, das zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): Für 81 Prozent der Deutschen im Alter von 30 bis 59 Jahren nimmt die Aggressivität in der Gesellschaft zu. 90 Prozent davon erleben diese Aggressivität im Straßenverkehr, so die Untersuchung.
Entspannter durch Rücksicht
Das liege an der Verkehrsdichte, meint Verkehrspsychologe Christian Maag. Er glaubt nicht daran, dass die einzelnen Verkehrsteilnehmer tatsächlich aggressiver werden. Vielmehr basiere dieses Empfinden auf der Anzahl der Menschen, die auf den Straßen unterwegs sind – Es werden immer mehr.
Der Verkehrspsychologe rät deshalb zu mehr Rücksichtnahme. Auf der Straße gebe es kein besonderes Vorrecht für bestimmte Verkehrsteilnehmerinnen, erklärt er. Empathie könne uns helfen, Aggressionen im Straßenverkehr zu vermeiden.