Das Coronavirus verändert momentan unser gesamtes Leben. Selbst Beerdigungen müssen völlig anders ablaufen. Für den Trauerprozess ist das ein Problem.
Vor einer Woche hat Helga Bruhns ihren Vater beigesetzt: Der Sarg stand aufgebahrt auf einem Friedhof in Schleswig-Holstein, nicht wie sonst in, sondern vor einer Kirche. Die Trauergäste versammelten sich in einem Halbkreis um den Verstorbenen herum mit viel Abstand zueinander.
Wer darf kommen, wer nicht?
Als die sechs Sargträger gekommen sind, hat sich Helga Bruhns bei ihrer Mutter untergehakt. "Sie am Arm zu führen, das habe ich mich getraut", erzählt sie, aber trotzdem hat sie sich gefragt, ob das richtig war.
"Jeder stand für sich allein, jeder hatte einen Mundschutz um. Es war schon auch ein bisschen eine skurrile Situation dort am Grab."
Schon vor der Beerdigung hatte Helga Bruhns mit ihren vier Geschwistern viele Diskussionen. Denn durch die voranschreitende Corona-Pandemie wurde der Teilnehmerkreis für die Trauerfeier immer weiter eingegrenzt. Dadurch ist etwas zwischen ihnen zerbrochen, sagt sie im Rückblick.
"Es war eine unglaublich anstrengende Woche mit einem Chatverlauf, daraus könnte man jetzt einen Roman schreiben. Ob Enkelkinder kommen dürfen oder nicht."
Der Vater von Helga Bruhns war evangelischer Pastor. "Und viele Menschen hätten gerne Abschied von ihm genommen", erzählt sie. Die Enkelkinder wollten auch sehr gerne kommen, aber das war nur begrenzt möglich.
Nicht alle Verwandten dürfen kommen
Als sie mit der Vorbereitung für die Beerdigung begonnen hatten, schienen diese Entscheidungen noch fern. Denn da waren in Schleswig-Holstein noch Versammlungen mit bis zu 100 Menschen erlaubt. 80 Angehörige und Freunde wurden zur Beisetzung eingeladen.
"Ich bin selber Witwe und weiß, wie wichtig das ist, Abschied zu nehmen. Und insofern fand ich es wichtig, das in jedem Fall für meine Mutter zu realisieren."
Am Samstag hat ihre Mutter die Trauerkarten verschickt. Als sie von der Post kam, stand schon der Bestatter vor der Tür und sagte, das könne so nicht mehr gehen. "Jetzt wäre die Begrenzung bei 50 Personen. So dass wir am gleichen Tag auch die Absagen wieder losgeschickt haben."
Keine gemeinsame Trauerarbeit
Zwei Tage später hat sie der Bestatter noch einmal um eine Begrenzung gebeten: Maximal 20 Personen. Das war der Moment, in dem die Diskussion zwischen den Geschwistern kippte, sagt Helga Bruhns. Eine Gruppe forderte, nun eine Einäscherung zu organisieren und den verstorbenen Vater Monate später zu verabschieden. Helga Bruhns, die vor zwei Jahren ihren Partner verloren hat, wollte, dass die Beerdigung wie geplant stattfindet.
Nach der Beerdigung hat Helga Bruhns Nichte auf Facebook ihre Eindrücke gepostet: "Jeder trauert für sich alleine. Aus Vorsicht, aus Schutz."
"In die Trauer mischt sich Wut auf dieses verdammte Virus, dass uns eine richtige Trauerfeier verwehrt, aber auch Dankbarkeit, dass wir überhaupt noch Abschied nehmen dürfen."
Solche Zeiten habe er noch nicht erlebt, sagt der Bestatter Ralf Paulsen. Er leitet die Bestattungsinnung Schleswig-Holstein mit. "Wir arbeiten momentan mit den gleichen Verunsicherungen draußen wie unsere Familienangehörigen auch." Jeden Tag würden die Behörden neue Auflagen machen. Und die seien von Landkreis zu Landkreis oft verschieden.
"Was wir momentan verzeichnen ist, dass viele Abstand von einer Trauerfeier nehmen. Und dann lieber später oder zu Hause eine Gedenkfeier machen."
Diese aktuellen Tendezen seien aus trauerpsychologischer Sicht aber nicht gut. Manche würden jetzt auch Trauerfeiern filmen. Für ein Video danach oder einen Livestream für die Angehörigen. Auch bei der Beerdigung von Helga Bruhns Vater filmten Trauergäste mit.
Filmen während der Trauerfeier
Diese Beerdigung unter immer neuen Auflagen vorzubereiten, die Auseinandersetzungen mit ihren Geschwistern: Das alles war emotional belastender als die eigentliche Trauer, sagt Helga Bruhns. Trotzdem sei der Abschied auch im kleinen Kreis für ihren Vater würdig gewesen.