Wie können vor allem junge Menschen mit Migrationsgrund gut in Deutschland leben – mit möglichst denselben Chancen wie Menschen, die deutsche Eltern haben? Wie können sie sich zugehörig fühlen und nicht ausgegrenzt in unserer Gesellschaft? Verschiedene Studien sagen: Eine schnelle Einbürgerung würde dazu beitragen.
Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung hat eine Artikelsammlung mit verschiedenen Untersuchungen veröffentlicht, die sich damit beschäftigen, inwiefern sich die Staatsbürgerschaft – nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern – auf junge Menschen mit Migrationshintergrund auswirkt.
Als Deutsche(r) mehr Erfolg in Schule und Job
Bezüglich der deutschen Staatsbürgerschaft sind zwei der Untersuchungen am konkretesten, sagt Ann-Kathrin Horn aus der Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion: Die eine beschäftigt sich mit dem Joberfolg von Menschen mit Migrationsgrund, die andere mit deren Schulerfolg.
"Die Studien zeigen: Je leichter es Einwandernden und ihren Kindern gemacht wird, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, desto positiver wirkt sich das auf deren mögliche Jobs und deren Erfolg in der Schule aus."
In der Joberfolg-Studie haben die Forschenden Christina Gathmann und Ole Monscheuer untersucht, wie der Joberfolg damit zusammenhängt, wie lange Menschen auf ihre Einbürgerung warten mussten. Dazu haben sie Arbeitsmarktdaten aus den Jahren 2005 bis 2010 ausgewertet und festgestellt: Zuwanderer, die schneller eingebürgert wurden, haben mehr verdient. Wer nur acht Jahre warten musste, hat im Schnitt elf Prozent mehr verdient als jemand, der 15 Jahre gewartet hat. Vor allem bei Frauen stieg das Einkommen, bei Männern war der Effekt nicht so groß.
Schnellere Einbürgerung = Mehr Gehalt
Die Erklärung: Mit der deutschen Staatsbürgerschaft stehen Einwanderinnen und Einwanderern mehr Jobs zur Verfügung, schreiben die Forschenden. Im öffentlichen Dienst sei die deutsche Staatsbürgerschaft manchmal sogar vorgeschrieben. Außerdem habe es Zeiten gegeben, in denen Einwandernde auch nicht so einfach als Anwältin, Notar, Apotheker oder Ärztin arbeiten durften. Oder sie durften nicht selbstständig sein, weil ihre Aufenthaltserlaubnis befristet war.
Für den Hintergrund: Das deutsche Einwanderungsgesetz wurde zwei Mal stark verändert, einmal 1991 und dann nochmal im Jahr 2000. 1991 wurde einheitlich festgelegt, in welchem Alter und nach wie vielen Jahren in Deutschland die Einbürgerung beantragt werden kann. Im Jahr 2000 wurde dann die Wartezeit stark verkürzt. Denn je nachdem, wann Menschen nach Deutschland gekommen sind, wie alt sie waren und welche Regelung zu diesem Zeitpunkt bei ihnen galt, unterschieden sich die Wartezeiten immens: Manche Menschen konnten die deutsche Staatsbürgerschaft schon nach acht Jahren beantragen, andere mussten 15 Jahre oder länger warten.
Einbürgerung positiv auch für die Schulleistungen
In der Studie über die Auswirkungen einer Einbürgerung auf den schulischen Erfolg junger Migrantinnen und Migranten haben Wirtschaftsforschende die Daten von 4500 Schülerinnen und Schülern verglichen, die zwar im gleichen Jahrgang waren, für die aber wegen ihres Geburtsmonats unterschiedliche Staatsbürgerschaftsregeln galten: entweder die alte Regel mit Wartezeit für die Einbürgerung. Oder die neue, die seit 2000 gilt, und die zur Folge hat, dass Kinder von Einwanderern, die mindestens acht Jahre in Deutschland sind, automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Diese Staatsbürgerschaft können die Eltern auch nicht verweigern, sie fällt den Kindern per Gesetz automatisch zu.
"Die Forschenden haben Einwanderer-Kinder verglichen, die im gleichen Jahrgang waren, aber unterschiedliche Staatsbürgerschaften hatten."
Ergebnis: Die Kinder mit der deutschen Staatsbürgerschaft fingen früher mit der Schule an, mussten seltener ein Schuljahr wiederholen und gingen auch eher aufs Gymnasium. Für viele Menschen mit Migrationshintergrund hat eine schnelle Einbürgerung also positive Folgen. Ein für alle geltendes Patentrezept ist sie aber trotzdem nicht.
Mögliche negative Folgen für bestimmte Mädchen
Einer Studie von Gordon Dahl, Christina Felfe, Paul Frijters und Helmut Rainer zufolge gibt es nämlich auch Folgen, die nicht so positiv sind: So haben es zum Beispiel Mädchen, deren Eltern aus Ländern mit sehr großen kulturellen Unterschieden nach Deutschland kommen, schwerer, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft von Geburt an haben.
Vor allem muslimische Eltern wollten ihre Töchter laut der Untersuchung dann quasi "erst recht" traditionell erziehen, sprechen seltener deutsch mit ihnen und ermutigen sie auch nicht in Sachen Karriere. Mit diesem Zustand fühlen sich diese Mädchen nicht wohl. Insofern hat eine frühe deutsche Staatsbürgerschaft nicht automatisch immer nur positive Folgen.
In einer Studie, die sich auf Italien bezieht, hat Paolo Pinotti von der Mailänder Bocconi Universität außerdem festgestellt, dass die Legalisierung des Aufenthaltsstatus zu geringeren Kriminalitätsraten führt.