Frauen ejakulieren. Texte, Quellen und Belege dazu gibt es seit Jahrhunderten. In den medizinischen Lehrbüchern und unserem allgemeinen Verständnis von Körper und Sexualität der Frau sei das aber noch immer nicht verankert, sagt die Kulturwissenschaftlerin Stephanie Haerdle und klärt auf.
In den 90er Jahren sah die Kulturwissenschaftlerin Stephanie Haerdle einen Dokumentarfilm im Kino, erzählt sie: "How to female ejaculate". Sie war platt. Wieso wusste sie nichts darüber? Sie fing an zu lesen: historische Texte, medizinische Schriften, Studien.
"Jahrtausendelang war die Ejakulation für die Frau wie für den Mann selbstverständlicher Teil sexuellen Erlebens."
Sie stellte fest: Einerseits ist das Wissen um die weibliche Prostata und die weibliche Ejakulation uralt. Andererseits ist es so gut wie verschwunden – selbst unter Fachleuten in Gynäkologie und Urologie.
Früher war Wissen über weibliche Ejakulation weiter verbreitet
In über 2000 Jahre alten Texten aus China aber verströmen Frauen "Brunnensaft, Pfirsichsaft oder Mondblumenwasser". In diesem Sexualwissen ist es gut und erstrebenswert, wenn eine Frau häufig Sex hat und häufig ejakuliert, berichtet Stephanie Haerdle in ihrem Vortrag.
"Es wurde bereits vor 20 Jahren beschlossen, den Begriff 'female prostate' im medizinischen Kontext international verbindlich zu verwenden. Trotzdem: Wer heute in medizinischen Standardwerken und Lehrbüchern nach Informationen über die weibliche Prostata sucht, wird enttäuscht."
Bis ins 18. Jahrhundert hinein habe es auch in Europa ein Wissen um die weibliche Ejakulation gegeben, die im Zusammenhang mit der Zeugung gedacht wurde, analog zum Samenerguß des Mannes. Dann aber werde der weibliche Körper zunehmend als grundverschieden zu dem des Mannes gedacht. Da weibliche Ejakulation nicht zwingend notwendig für die Reproduktion sei, wurde sie als überflüssig betrachtet, so die Kulturwissenschaftlerin.
"Bis heute sind sich Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen nicht einig, wie genau Ejakulieren funktioniert."
Auch in der feministischen Bewegung seien aufklärerische Texte nicht immer freudig begrüßt worden. Sollten mit solchen Erkenntnissen pornographische Standards gesetzt werden? Männerphantasien befriedigt werden? Ein Wettbewerb eröffnet werden?
Es gab – und gibt – einige Skepsis. Stephanie Haerdle meint: Es geht hier nicht um Selbstoptimierung, sondern um Wissen um den eigenen Körper. Ihr Vortrag ist kulturwissenschaftlich – und aufklärerisch.
Stephanie Haerdle ist Kulturwissenschaftlerin und Autorin. 2020 erschien ihr Buch "Spritzen, Geschichte der weiblichen Ejakulation" in der Edition Nautilus. Ihren Vortrag hat sie am 6. Dezember 2020 für den Deutschlandfunk Nova Hörsaal in Berlin eingesprochen.