Es ist nicht selbstverständlich, dass wir uns heute genauso problemlos mit Menschen in München unterhalten können wie mit denen in Hamburg. Denn die deutsche Standardsprache gibt es noch gar nicht so lange. Ein Vortrag der Sprachhistorikerin Renata Szczepaniak.
Wie wir sprechen und schreiben sollten, wird heute viel diskutiert. Sollten wir uns zum Beispiel um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen? Reden wir zum Beispiel von "Sprechern", "Sprecherinnen", "Sprechenden", "Sprecher*innen", "Sprecher:innen" oder "Sprecherinnen und Sprechern"? Die Debatte darüber ist vielen Menschen wichtig.
"Die überregionale Standardsprache, die es uns ermöglicht, und mit Menschen in Hamburg genauso zu unterhalten wie in München, ist relativ jung."
Renata Szczepaniak ist historische Sprachwissenschaftlerin. In ihrem Vortrag geht sie der grundsätzlichen Frage nach, wie sich Sprache verändert: Wie kommt es, dass wir heute so sprechen und schreiben, wie wir es tun? Wie hat sich das Deutsche im Laufe der Jahrhunderte verändert?
Deutsche Sprache formt nationale Identität
Die deutsche Standardsprache, die für uns heute so selbstverständlich ist, gibt es nämlich noch gar nicht so lange: Sie begann im frühen 17. Jahrhundert.
Aussprache, Rechtschreibung, ja selbst Vokabular und grammatische Strukturen waren im Deutschen vorher regional sehr unterschiedlich. Eine einheitliche deutsche Sprache war ein wesentlicher Beitrag zur Bildung einer nationalen Identität, sagt Renata Szczepaniak.
"Der Wertewandel wirkt sich auf die Sprache aus, und umgekehrt kann die Sprache natürlich auch den Wertewandel mit beeinflussen."
Der Wunsch nach mehr nationaler Einheit im 17. Jahrhundert hatte auch Auswirkungen auf die Entwicklung der deutschen Sprache. Umgekehrt wirkte sich die Standardsprache wiederum darauf aus, wie Menschen miteinander kommunizieren konnten. Gesellschaftliche Werte und Veränderungen verändern unsere Sprache, sagt Renata Szczepaniak – und Sprache unterstützt diesen Wertewandel.
"Die einzige Konstante in der Sprachgeschichte ist der Wandel. Eine lebendige Sprache ist eine Sprache, die sich wandelt."
In ihrem Vortrag führt die Sprachwissenschaftlerin das an zwei Beispielen genauer aus:
- anhand der Christianisierung in Europa
- anhand der Diskussion um gendergerechte Sprache, die wir heute führen
Eine lebendige Sprache, so Renata Szczepaniak, ist eine Sprache, die sich wandelt. Das gelte heute noch genauso wie in den vergangenen Jahrtausenden.
Der Vortrag
Renata Szczepaniak ist Professorin für historische Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig. Ihr Vortrag hat den Titel "Sprache im Umbruch?". Sie hat ihn am 24. Januar 2024 im Rahmen der Vorlesungsreihe "Studium Universale: Leben im Umbruch" an der Universität Leipzig gehalten.