Eigentlich sollte Johnny Grasser nicht einmal selbstständig essen oder sitzen können. Denn: Er hat eine Tetraspastik – eine Art Lähmung seiner Arme und vor allem Beine. Doch durch stundenlanges Training jeden Tag kann Johnny skaten, surfen oder klettern. Und als Nächstes will er auf den Zuckerhut in Rio de Janeiro.
Im Moment verbringt Johannes "Johnny" Grasser ziemlich viel Zeit in der Kletterhalle. Sein Ziel: Ende Oktober 2022 den Zuckerhut in Rio de Janeiro besteigen – einen 400 Meter hohen, ziemlich steilen Felsen. Dafür trainiert der 33-Jährige aktuell mehrere Stunden am Tag. Ob er es am Ende auf den Zuckerhut schafft, ist eigentlich zweitrangig, findet er: "Ich kann am Ende sagen, ich hab es wenigstens probiert."
Begleitet wird Johnny von erfahrenen Kletterinnen und Kletterern. Alleine wäre der Aufstieg nämlich gar nicht möglich. Johnny hat eine Tetraspastik – wegen eines Fehlers im zentralen Nervensystem ist seine Grundmuskelspannung rund drei Mal so hoch wie bei nicht behinderten Menschen. Das führt dazu, dass Johnny eigentlich unkontrollierte Muskelzuckungen hätte und weder laufen noch etwas greifen könnte.
"Ich hab die schwerste Form einer Spastik. Ich dürfte kaum in der Lage sein, zu gehen, sitzen, eigenständig zu leben oder zu essen."
Dass Johnny trotzdem mithilfe von Stöcken laufen, klettern und eigenständig leben kann, dafür sorgt sein stundenlanges Training am Tag. "Erst wenn die Muskulatur müde ist, dann ist auch die Spastik müde, weil sie dann keine Power mehr hat, dagegen zu spannen", sagt Johnny. Also trainiert er drei bis vier Stunden pro Tag seinen Körper mithilfe von verschiedenen Geräten. "Sport ist quasi meine Medizin", sagt er.
"Wenn ich einen Tag nicht trainiere, muss ich drei, vier Tage arbeiten, um mir den Stand von vor dem Tag zu holen."
Mit seinem harten Training über die Belastungsgrenzen hinaus stehe er im Kontrast zur deutschen Ärztemeinung, sagt Johnny, der einen Master in Sportwissenschaften hat. Durch seine Helferinnen und Helfer, die ihn im Alltag und beim Training unterstützen, hat er aber die Möglichkeit, ein eigenständiges Leben zu führen und sportliche Herausforderungen anzunehmen.
2017 ist Johnny mit seinem Rollstuhl vom 7,5-Meter-Turm gesprungen, er hat an den Mud-Masters, einem Hindernis-Parcours durch den Schlamm teilgenommen, skatet oder surft auf speziellen Boards.
"Ich bin behindert. So what? Ich mach trotzdem, worauf ich Bock hab."
Die Tatsache, dass sich Johnny immer wieder neue sportliche Herausforderungen sucht, liegt aber auch daran, dass er das Gefühl hat, als behinderter Mensch nicht als vollwertiger Teil der Gesellschaft angesehen zu werden. Und dass viele Menschen Angst im Umgang mit ihm und der Tetraspastik haben. Deshalb wünscht er sich vor allem: "Geht ganz normal mit den Menschen um."
Das ganze Gespräch mit Johnny findet ihr in unserem Deep Talk Podcast.
Wenn es euch oder Menschen in eurem Umfeld nicht gut geht – lasst euch helfen! Eine ganze Reihe von Anlaufstellen haben wir hier für euch zusammengefasst.
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