Im Jahr 1974 erschüttert die Guillaume-Affäre die Bundesrepublik
Deutschland. Bundeskanzler Willy Brandt muss im Zug der Enthüllungen
zurücktreten. Der DDR-Spion Guillaume hatte es als SPD-Mitglied bis ins
Bundeskanzleramt geschafft.
Es ist ein Paukenschlag, als Anfang Mai 1974 die Nachrichtensendungen verkünden, ein DDR-Spion sei im Kanzleramt enttarnt und festgenommen worden. Wenige Tage später übernimmt Kanzler Willy Brandt die politische Verantwortung und tritt zurück.
Ausgerechnet Willy Brandt – der Kanzler der Verständigung und Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern im Osten Europas. Auch die DDR hatte davon profitiert, weil es einen deutsch-deutschen Vertrag gab, der das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander regelt. Später wird der Chef der Hauptabteilung Aufklärung im Ministerium für Staatssicherheit der DDR bedauern, dass die Spionagetätigkeit seines Amtes zum Rücktritt des Bundeskanzlers geführt hat.
Guillaume war Agent der DDR-Staatssicherheit
Am 24. April 1974 klingeln Beamte des Bundesnachrichtendienstes an der Tür der Bonner Wohnung des Ehepaars Christel und Günter Guillaume. Sofort sagt Guillaume: "Ich bin Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren." Hätte er sich diesen Satz gespart, wäre die Beweisführung im späteren Prozess gegen ihn sehr viel schwerer geworden. So aber löst seine Verhaftung eine innenpolitische Krise aus, die Fragen über den Zustand des BND ebenso aufwerfen wie eine Diskussion über die Sicherheitsstandards auf höchster Regierungsebene.
Die Guillaumes waren 1956 von der DDR in die Bundesrepublik eingereist und traten kurz danach in die hessische SPD ein. 1964 wurde Günter Guillaume hauptamtlicher Funktionär der Partei, seine Frau Christel arbeitete als Sekretärin im Parteibüro der SPD Hessen-Süd.
Günter arbeitete sich innerhalb der SPD nach oben, organisierte 1969 den Wahlkampf des späteren Verteidigungsministers Georg Leber und wurde anschließend auf dessen Empfehlung als Referent für Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ins Bonner Kanzleramt geholt. Nach und nach gewann er das Vertrauen der Kanzlers, der ihn sogar in den Urlaub nach Norwegen mitnahm.
Der Schaden war nicht besonders groß
Als sich die Aufregung um die Spionagetätigkeit der DDR in der Bundesrepublik etwas gelegt hat, stellt sich heraus, dass der Schaden durch das Agentenpaar Guillaume nicht besonders groß war.
1975 wurde Günter Guillaume zu 13 Jahren, seine Frau Christel zu 8 Jahren Haft verurteilt. Im Rahmen eines Agentenaustausches kehrten beide 1981 in die DDR zurück. Günter Guillaume starb 1995, seine Frau Christel 2004.
Ihr hört in "Eine Stunde History":
- Der Verfassungsschützer Helmut Müller-Enbergs führt aus, welchen Schaden der Fall Guillaume angerichtet hat
- Die Historikerin Kristina Meyer von der Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung schildert die Gründe, die im Mai 1974 zu Brandts Rücktritt geführt haben
- Der Londoner Historiker Eckard Michels beschreibt die Auswirkungen der Guillaume-Affäre
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die ersten Jahre der SPD-FDP-Koalition unter Willy Brandt als Bundeskanzler
- Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Esther Körfgen berichtet über die Festnahme des Ehepaars Guillaume im April 1974
Im Bild ganz oben: Passanten betrachten am 07.05.1974 in München die ausgehängten Tageszeitungen, die über den Rücktritt Brandts berichten.
- Verfassungsschützer Helmut Müller-Enbergs über den Fall Guillaume
- Historikerin Kristina Meyer über den Rücktritt Willy Brandts
- Historiker Eckard Michels zu den Folgen der Spionage-Affäre