Verlieren gehört zum Spielen dazu. Dennoch gibt es Menschen, die besser und andere, die schlechter mit dem Verlieren umgehen können. Philipp zum Beispiel. Ludologe Jens Junge und Psychologin Annegret Wolf wissen, was dahinter steckt.
Ob Brettspiel, Konsole, PC oder App: Alle Leute, die spielen, können auch verlieren. Theoretisch gehört zu jedem Spiel mindestens eine Person, die gewinnt und mindestens eine Person, die verliert.
Und trotzdem fällt das Verlieren oft nicht leicht. Philipp kennt das. bei bleibt ein schlechtes Gefühl zurück und der Spielspaß leidet. Obwohl er in seiner Kindheit und Jugend ausgiebig gespielt und verloren hat.
Gemeinheit versus Teamplay
Innerlich wird er dann – auch im Erwachsenenalter – garstig, wenn er verloren hat. So nennt er es. Dann kommen von ihm passiv-aggressive Kommentare und Philipp ist nicht so hilfsbereit und unterstützt die anderen nicht so, wie er sich das idealerweise vorstellt.
Dafür reicht es schon aus, dass er nur das Gefühl hat, zu verlieren. Das ist ihm sogar mal passiert, als er mit seiner Freundin ein rundenbasiertes Strategiespiel gespielt hat, und sie erfolgreich war. Dabei standen die beiden in dieser Spielsituation noch nicht einmal in Konkurrenz zueinander.
"Bei einer Session war sie einfach besser. Das hat mich ziemlich gestört. Ich habe ihr eher böse Kommentare zugeschoben, als dass ich versucht habe, dass wir das gemeinsam besser machen."
Philipp hat an sich selbst beobachtet, dass er immer wieder Schwierigkeiten hat, der schwächere Spieler zu sein
Verlieren gehört nicht zum Anspruchskatalog
Er führt sein Verhalten auch auf bestimmte Erwartungen und Geschlechterrollen zurück. Er hält es für vorstellbar, dass er in der Spielsituation ein Überlegenheitsbedürfnis hat und es sein Ego angreift, wenn sich dieses Bedürfnis nicht erfüllt.
"Ich glaube, dass Männer schon einen gewissen Druck haben, vielleicht auch die Notwendigkeit sehen, zu gewinnen, um ihre Rolle zu erfüllen."
Philipp vermutet, dass eine gewisse Männlichkeitserwartung zu einem unentspannteren Verhältnis zum Verlieren in Spielsituationen führt. Die Wissenschaft vom Spielen, die Ludologie, unterscheidet nach Richard Bartle vier Typen von Spielenden:
- Killer, sucht gezielt Zerstörung und Konflikt.
- Achiever, sucht nach Erfolg in der Spielewelt.
- Explorer, setzt sich immersiv mit der Spielewelt auseinander.
- Socialiser, möchte Beziehungen zu Mitspielenden aufbauen.
Das Modell von Richard Bartle ist in der Ludologie inzwischen in sechs Arten von Spielmotivation aufgegangen – mit entsprechenden Testfragen lässt sich diese Typfrage online beantworten.
Verlieren ist Fortschritt
Spielende vom Typ Killer sind deswegen nicht unbedingt schlechte Verlierer, sagt Jens Junge. Er leitet das Institut für Ludologie an der SRH University of Applied Sciences in Berlin.
"Also richtig gute Wettkämpfer lernen von den anderen, wenn sie verlieren und überlegen sich, was diesmal falsch war. Oder was müsste ich anders machen?"
Alle Menschen tragen einen Fortschrittskonflikt in sich, sagt er: "Wir möchten bestimmte Herausforderungen gut meistern und durch das Verlieren suchen wir danach, wie es anders sein müsste."
"Verlieren zu lernen, ist ganz, ganz wichtig und entscheidend auch für den eigenen Verbesserungsprozess."
In bestimmten regionalen und historisch-gewachsenen Spielgewohnheiten und Spieltraditionen spiegeln sich nach Jens Junges Ansicht ganz konkrete nationale Geisteshaltungen und politische Traditionen. Ein Beispiel: "In ganz Skandinavien gab es historisch gesehen kaum eigennutzorientierte, überdrehte Herrscher und Könige. Tatsächlich ist dieses Grundgefühl dieser Nationen oft eben ein Zusammengehörigkeitsgefühl."
Typisch deutsch sei das Bedürfnis nach Sicherheit, der Wusch nach einem Voranschreiten: "Wir spielen lieber Anno im Digitalen und bauen immer vorsichtig auf."
Doch zurück zum Schlechtverlierenkönnen: Annegret Wolf hat mindestens zwei Typen ausgemacht. Sie lehrt Psychologie an der Universität Halle.
- Verlierertyp: trotziges Kind
- Verlierertyp: nach innen gewandte Selbstbezogenheit
Sie findet, dass zum Spielen grundsätzlich die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen gehört: Freude, Spaß, Ärger, Traurigkeit und Enttäuschung. Die jeweilige Reaktion hänge dann schon sehr mit der jeweiligen Persönlichkeit und dem Selbstbild zusammen.
"Selbst die härtesten Kerle auf dem Fußballplatz weinen mal nach einem verlorenen Spiel."
Dafür lägen die Ursprünge oft in der Kindheit. Kinder müssten durch Niederlagen auch eine gewisse Frustrationstoleranz aufbauen, sollten umgekehrt aber nicht wegen Niederlagen andauernd niedergemacht und ausgelacht werden.
"Es geht schon am Ende darum, dass man das alles ein bisschen entspannt nimmt und die Niederlage nicht stellvertretend ist für die Niederlage im kompletten Leben."
Erwachsenen, die während eines Spiels merken, dass sie nicht gut verlieren können, empfiehlt Annegret Wolf, die Situation kurzzeitig zu verlassen. Timeout nennt sie das. Auch mit Humor ließen sich diese schwierigen Situationen entschärfen.
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