Unerfahren, weitgehend unbekannt und mit der neuen Aufgabe womöglich überfordert: viele Medien lassen kaum ein gutes Haar am neuen Führungsduo der SPD, bestehend aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Im Netz wird die Digitalpolitikerin allerdings gefeiert.
Saskia Esken ist 58 Jahre alt, staatlich geprüfte Informatikerin und hat in den 90er Jahren in der Softwareentwicklung gearbeitet. Sie sitzt im Digitalausschuss des Deutschen Bundestages und in der Enquetekommission "Künstliche Intelligenz". Mit anderen Worten: Die SPD-Politikerin beschäftigt sich bereits lange und intensiv mit digitalen Themen.
Im Netz ist Saskia Esken deshalb alles andere als unbekannt. Netzaktivist Markus Beckedahl von Netzpolitik.org twitterte nach ihrer Wahl in den Parteivorsitz: "Mit @EskenSaskia gibt es demnächst wohl die erste Parteivorsitzende einer relevanten Partei mit netzpolitischer Kompetenz."
Eines der Themen von Saskia Esken ist die Verschlüsselung von privater Kommunikation. "Mehr Verschlüsselung wagen" hieß es von ihr 2015 plakativ im Netzpolitik-Blog der SPD. Den Slogan hat sie in Anlehnung an die berühmten Worte von Willy Brandt gewählt, der bei seiner ersten Regierungserklärung im Oktober 1969 forderte: "Mehr Demokratie wagen".
In der Debatte um mehr Sicherheit beziehungsweise Überwachung im Netz, ist Saskia Esken eher eine Befürworterin von Freiheit und dem Schutz der Privatsphäre, wie unser Netzreporter Andreas Noll berichtet. Sie gilt auch als Gegnerin des von den Verlagen durchgesetzten Leistungsschutzrechts. Wirtschaftspolitisch kritisiert sie die Macht der großen monopolartigen Diensteanbieter wie Facebook, Goolge und Co.. 2015 hat sie im Bundestag gegen die anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Alles Punkte, die bei Menschen gut ankommen, die sich für digitale Themen engagieren.
Digitalkompetenz erstmal unwichtig
Saskia Esken gilt in der SPD als sehr links, das zeigt sich auch in ihren Vorstellungen bei digitalpolitischen Themen wie etwa dem Breitbandausbau. Der soll, so ihre Forderung, zur staatlichen Aufgabe werden, weil die Privatunternehmen versagt hätten.
Im bisherigen Modell bekommen private Unternehmen wie die Telekom staatliche Hilfen, damit sie den Breitbandausbau übernehmen. Eine Debatte, die auch in den Kommentarspalten verschiedener Online-Portale aktuell intensiv geführt wird.
Darüber hinaus sind die Vorstellungen in Sachen Digitalisierung allerdings noch recht ungenau. In den Veröffentlichungen der letzten Wochen fordern Esken und Walter-Borjans einen "grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Digitalpolitik." Was das konkret heißt, wird nicht klar. Sätze wie "Den Menschen in den Mittelpunkt stellen", wie es in einem Wahlkampf-Papier heißt, oder die Vorstellung, der technologische Fortschritt solle den Menschen kürzere, sozialfreundlichere Arbeitszeiten, weniger Tempo und gesünderes Leben ermöglichen, klingen gut, sind aber zunächst wenig konkret, solange keine Umsetzungsmöglichkeiten formuliert werden.
"Das Ziel: Der technologische Fortschritt solle den Menschen kürzere, sozialfreundlichere Arbeitszeiten, weniger Tempo und gesünderes Leben ermöglichen. Das hört sich nett an, ist aber typisches Politikersprech."
Wenn es um die Neuausrichtung der SPD geht, werden Digitalthemen in den nächsten Wochen aber wohl erstmal eine untergeordnete Rolle spielen. Und die gesteigerte Sachkompetenz in der SPD-Führung muss sich auch nicht zwangsläufig in Gesetzen widerspiegeln, sagt Netzreporter Andreas Noll. Bereits vor der Wahl des neuen Führungsduos gab es mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil durchaus Menschen mit Digitalkompetenz in der Parteiführung.