Obwohl Spaniens Diktator Francisco Franco schon seit 40 Jahren tot ist, herrscht immer noch ein unausgesprochener Pakt des Schweigens in der spanischen Bevölkerung. Der Roman "Blutorangen" von Verena Boos handelt von dieser Zeit.
Verena Boos hat mit Unterbrechungen sechs Jahre lang in Valencia gelebt. Sie hat dort in Zeitgeschichte promoviert und die nationale Identität in Katalonien untersucht. Eine Thematik, bei der man nicht umhin kommt, sich mit dem spanischen Diktator Francisco Franco und dem nach ihm benannten Franquismus auseinanderzusetzen. Schnell hat Verena Boos festgestellt, dass Gespräche über dieses Kapitel der spanischen Geschichte schnell emotional werden. Viele vermeiden es über dieses Thema zu sprechen, sodass ein unausgesprochener Pakt des Schweigens in der spanischen Gesellschaft herrscht.
"Von ganz vielen meiner Freunde, weiß ich nicht, ob sie zu den Opfern oder den Tätern aus dieser Zeit gehören. Ich kann es mir ein bisschen denken, aber so wirklich offen geredet, habe ich mit den allerwenigsten."
In ihrem Roman "Blutorangen" holt sie den historischen Konflikt in die Gegenwart und verknüpft auch die Aufarbeitung der spanischen Geschichte mit der deutschen. Das Leitmotiv des Romans ist das Graben. Immer noch gibt es viele Massengräber in Spanien, die noch nicht untersucht wurden. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten hat eine allmähliche Aufarbeitung der Schreckensherrschaft Francos begonnen. Es finden Exhumierungen statt, um Opfer zu identifizieren, Denkmäler und Grabsteine zu errichten und somit Totgeschwiegenes ans Licht zu bringen.
"Das Graben ist ein ganz wichtiges Stichwort und ich habe für den Roman auch die Form einer Exhumierung genutzt. Die verschiedenen Phasen einer Exhumierung dienen als Titel für die verschiedenen Teile des Romans und die Geschichte beginnt und endet an einem Massengrab."
Dieses Foto sorgte für Diskussionen: Spanische Polizisten posieren vor einer Franco-Statue
Für die Protagonistin des Romans, die junge Spanierin Maite, ist das Studium in München eine Chance, dem konservativen Vater zu entfliehen. Je länger sie von ihrer Heimat Valencia entfernt ist, desto fremder wird sie ihr. Als sie sich in Carlos verliebt, der aus einer deutsch-spanischen Familie stammt, lernt sie dessen Großvater Antonio kennen. Er erzählt von Ereignissen aus der Zeit des Franco-Regimes, von denen sie noch nie zuvor gehört hatte. Eines Tages wird aus der Zuhörerin eine Fragende. Maite möchte wissen, wie ihr Vater an eine deutsche Uniform gelangte. Die junge Spanierin entwickelt ein politisches Bewusstsein und beginnt ihre Familiengeschichte aufzudecken.
"Das Graben in Spanien ist seit 15 Jahren überhaupt erst aktuell geworden. Die Enkel- und Ur-Enkel-Generation, die nicht mehr im Franquismus aufgewachsen ist und die Angst und den Terror nicht erfahren hat, begehrt jetzt auf und sucht nach den Geschichten und Gräbern."