Der spanische Diktator Franco unterdrückt politische Gegnerinnen mit einem besonders unmenschlichen Vorgehen: Ihnen werden ihre Neugeborenen weggenommen. Den Müttern wird mitgeteilt, die Babys seien bei der Geburt gestorben. Ein Gesetz vom 4. Dezember 1941 ist der Beginn des systematischen Babyraubs in Spanien.
Es ist kaum vorstellbar: Hunderttausendfach wird Frauen nach der Geburt erklärt, dass ihre Kinder tot zur Welt gekommen seien. Um diesen Schock noch zu vertiefen und jeden Zweifel an der Todesnachricht zu tilgen, wird ihnen ein totes Baby aus der Leichenhalle vorgeführt und als ihr eigenes ausgegeben. Doch das alles sind Lügen.
Durch ein Gesetz vom 4. Dezember 1941 wird der spanische Staat nach dem Bürgerkrieg (1936-1939) ermächtigt, Kindern, deren Eltern unbekannte Kriegsgefangene, politische Gefangene oder Opfer der Kampfhandlungen des Bürgerkriegs waren, einen neuen Nachnamen zuzuweisen.
Damit ist dem staatlich organisierten Babyraub Tür und Tor geöffnet – denn nun werden all jene Frauen Opfer dieses Gesetzes, die der Franco-Diktatur als "unerwünscht" deklariert. Dazu zählen Gewerkschafterinnen oder Kommunistinnen. Auf diese Weise werden zwischen 1941 und 1990 - also bis weit nach dem Ende des Franco-Regimes - rund 300.000 Babys ihren leiblichen Müttern und Vätern entzogen – und zahlungskräftigen, regimetreuen Familien anvertraut.
Babyraub in rund 300.000 Fällen
Mit den Jahren entsteht ein kriminelles Netzwerk, an dem Ärzte und Schwestern ebenso beteiligt sind wie medizinische Einrichtungen und die katholische Kirche, der nicht nur politisch links stehende Frauen ein Dorn im Auge sind, sondern auch diejenigen, die ein uneheliches Kind zur Welt bringen. Gründe, warum der Babyraub auch weit nach dem Ende des Franco-Regimes noch anhält.
Inzwischen gibt es eine Datenbank, mit deren Hilfe Kinder ihre leiblichen Eltern suchen können – und mittlerweile gibt es auch Prozesse gegen damalige Ärzte und Vermittler. Doch die Kinder, die ein Leben lang das Gefühl hatten, dass "etwas nicht stimmt", werden das Trauma, das sie quält, dadurch nicht los.
Ihr hört außerdem in Eine Stunde History
- Die Journalistin Margot Litten hat sich intensiv mit den gestohlenen Babys und den Folgen dieses Unrechts beschäftigt
- Der Historiker und Spanienkenner Walther Bernecker beschreibt die Rolle der katholischen Kirche bei diesem Babyraub
- Der ARD-Spanienkorrespondent Oliver Neuroth erläutert, wie der spanische Staat heute mit diesem Unrecht umgeht
- Deutschlandfunk Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld schildert den Beginn des Babyraubs Anfang der 40er Jahre
- Deutschlandfunk Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff schildert den Fall einer jungen Mutter, deren Baby angeblich tot zur Welt gekommen ist