Das erste Foto, das Johanna Degen auf Tinder gesehen hat? Zeigte einen nackten Mann mit Fisch. Statt die App weiter privat zu nutzen, war Johannas Forschungsinteresse geweckt. Die Sozialpsychologin wollte wissen: Warum posten Menschen solche Bilder, welche sind am erfolgreichsten und wie verändern Dating-Apps unsere Beziehungslogik? Und funktionieren Hundefotos wirklich so gut, wie man denkt?
Als Johanna Degen vor einigen Jahren einen Screenshot von ihrem ersten Tinder-Motiv an ihre Doktormutter geschickt hat, war die noch nicht so richtig überzeugt. Ist ein nackter Mann mit einem Fisch ein ausreichender Grund, um ein umfassendes Forschungsprojekt zum Thema Online-Dating zu starten?
Um sie von der empirischen Forschungslage zu überzeugen, schickte Johanna ihrer Chefin vier Monate lang Fotos von Tinderprofilen zu - mit Erfolg. "Jetzt haben wir das größte mobile Online-Dating-Projekt, das es gibt", sagt Johanna. In den vergangenen Jahren hat die 35-Jährige Hunderte Tinderprofile analysiert, Nutzerinnen und Nutzer zu ihren Motiven und Nutzungsgewohnheiten befragt. "The More we Tinder: Subjects, Selves and Society" heißt eines ihrer Paper zu dem Projekt.
Viele Profile sind gleich auf Tinder
Eine Sache, die Johanna und ihrem Team ziemlich schnell aufgefallen ist: Die Gleichförmigkeit, die viele Profile aufweisen. Auf unzähligen Profilen finden sich Dinge wie: "Ich liebe Sonne, den Strand und Wein". Ihr Forschungsteam hätte sich gefragt: Warum Nutzerinnen und Nutzer so über sich schreiben und nicht etwa: Ich lese echt viele Bücher, gucke nie Fernsehen und habe einen Sportzwang?"
"Eine Handlungslogik ist: happy, healthy and uncomplicated - also sich glücklich, unkompliziert und gesund darzustellen."
Wenn Johanna gefragt wird, was alle Tinder-Nutzerinnen und Nutzer vereint, räumt sie mit Klischees auf. "Sex rangiert im untersten Drittel der Motive", sagt sie. "Was wirklich alle wollen, ist eine gute Zeit erleben."
"Es ist niemand auf Tinder, um mechanischen, austauschbaren Sex zu haben und sich als irrelevant oder austauschbar zu erleben."
Ob Menschen die Tinder-Nutzung als gesund oder ungesund für sich bewerten, hängt nicht von der Zeit ab, die sie mit der App verbringen, sagt Johanna Degen. Entscheidend ist der Modus: "Der qualitative Unterschied ist, ob ich mir das digitale Medium aneigne oder ob mich das digitale Medium konsumiert."
Was sich durch Tinder verändert, ist laut Johanna Degen die Beziehungsführung vor dem Hintergrund der zahlreichen Möglichkeiten. "Wir müssen unsere Beziehungsmoral neu verhandeln", sagt sie. Etwa die Frage beantworten, ob es ein Treuebruch ist, wenn man trotz Beziehung noch ein Tinderprofil hat.
"Es gibt keine typische Tinder-Beziehung. Es gibt typischen Tinder-Sex und typische Tinder-Dates."
Im Deep Talk mit Rahel Klein verrät Johanna außerdem, welche Fotos die beliebtesten auf Tinder sind und warum Hundefotos wirklich funktionieren.
Wir freuen uns über eure Mails an mail@deutschlandfunknova.de