Den einen geht es nicht schnell genug, die anderen fühlen sich überrumpelt. In der Politik kommt viel auf das richtige Timing an. Ein Vortrag des Soziologen Steffen Mau.
Unsere Gesellschaft wandelt sich ständig. Neue digitale Techniken, der Klimawandel, Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten. Zu all dem müssen wir uns irgendwie verhalten, denn es verändert unser Leben. Große Ereignisse und Veränderungen betreffen uns aber nicht nur als Einzelpersonen, sie prägen auch die Gesellschaft und unser soziales Miteinander.
"Es gibt die Langsamen und die Schnellen, die Flexiblen und die Starren, die Veränderungsbereiten und die Kontinuitätsbedürftigen, die auf je eigene Weise auf politische Entscheidungen reagieren."
Diese Art von Wandel setzt Gesellschaften unter Stress, sagt der Soziologe Steffen Mau. Er ist Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Wir leben nicht in statischen Verhältnissen, unser Zusammenleben ändert sich ständig, muss neu organisiert und verhandelt werden.
"Zugespitzt könnte man von der Gesellschaft unterschiedlicher Geschwindigkeiten sprechen oder sozialen Geschwindigkeitsklassen und damit Fragen von Tempo zentraler stellen."
In einer Demokratie ist das nicht zuletzt auch die Aufgabe der Politik. Sie muss Entscheidungen treffen. Dabei kommt es ganz entscheidend auf das Timing an, argumentiert Steffen Mau in seinem Vortrag. Denn unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft, gehen mit Wandel ganz unterschiedlich um.
Forderung nach schnellen politischen Entscheidungen
Die einen fordern schnelle Entscheidungen. Beim Klimawandel zum Beispiel bedeuten Abwarten oder das Verschieben von Maßnahmen, dass bereits gesetzte Klimaziele nicht mehr erreicht werden können. Gruppen wie Fridays for Future oder die Letzte Generation drängen auf schnelle Veränderungen.
"Das Gefühl, gesellschaftlich nicht mitzukommen oder von Richtung und Tempo des Wandels abgekoppelt zu sein, ist eine gesellschaftlich relativ weit verbreitete Grundempfindung."
Doch viele Menschen fühlen sich von raschen Veränderungen in ihrem Alltag überrumpelt und überfordert. Wenn die Politik mit Entscheidungen vorprescht, dann laufe sie Gefahr, weite Teile der Bevölkerung zurückzulassen. Das wiederum bedrohe demokratische Strukturen. Populismus sei immer auch ein Angebot zur Verlangsamung. Erfolgreiche Politik, sagt Mau, muss die unterschiedlichen Tempos in einer Gesellschaft stärker berücksichtigen.
Der Vortrag
Steffen Mau ist Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Vortrag hat den Titel "Keine Zeit. Zum Verhältnis von politischen Entscheidungen und sozialem Wandel". Er hat ihn am 04. Juli 2024 an der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten im Rahmen der Mosse-Lectures 2024, die das Thema haben "Dramen des Entscheidens".