Wen wir kennen, macht einen Unterschied. Unser soziales Netzwerk aus der Kindheit kann sich laut einer Studie sogar später auf unser Einkommen auswirken. Soziologe Aladin El-Mafaalani erklärt, warum.

Wie wohlhabend wir einmal im Erwachsenenalter sind, können wir auch über unsere sozialen Kontakte beeinflussen, die wir als Kinder machen. Zu dem Ergebnis kommt ein Team aus Forschenden der Harvard Universität, der Universität Stanford und der Universität New York in einer Studie.

Demnach haben Kinder aus benachteiligten Familien als Erwachsene durchschnittlich 20 Prozent mehr verdient, wenn sie mit Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern befreundet waren als Kinder, die keine reichen Kontakte hatten.

Die Studie zeigte auch, dass diese Verbindungen sogar einen größeren Einfluss auf das Einkommen der Erwachsenen hatten als die wirtschaftliche Situation ihrer Eltern oder die Qualität ihrer Schulbildung.

Für ihre Studie schauten sich die Forschenden die Kontaktlisten auf Facebook von 72 Millionen Menschen aus den USA zwischen 25 und 44 Jahren an. Diese Daten brachten sie mit Zahlen aus dem US-Zensus und Steuerdaten zusammen.

Vitamin B als soziales Kapital

Soziologe Aladin El-Mafaalani von der Universität Osnabrück nennt das ein soziales Kapital. Die Menschen, die wir kennen, die uns einmal helfen und von denen wir lernen können, seien ein entscheidender Einfluss in unserem Leben. Hinzu komme noch das Geld, auf das wir zurückgreifen können und unsere Kompetenzen. Diese drei Säulen könnte man als die drei Kapitalsorten unseres Lebens bezeichnen.

"Das soziale Netzwerk entsteht schon in der Kindheit und ist im wahrsten Sinne des Wortes soziales Kapital."
Aladin El-Mafaalani, Soziologe, Universität Osnabrück

Die Verbindungen, Kontakte, Freundschaften, die wir schon als Kinder knüpfen, können uns also das ganze Leben lang begleiten – und uns Vorteile verschaffen. Es macht einen Unterschied, wen man kennt, sagt der Soziologe.

Wenn wir Menschen mit einem anderen sozialen Hintergrund kennenlernen – wie im Beispiel der Studie, einem privilegierteren Lebensstil – erfahren wir auch mehr über ihr soziales Umfeld und lernen selbst, wie wir uns darin bewegen können, werden vertraut damit. Stichwort Verhaltenskodex. Das führt gleichzeitig auch dazu, dass wir Menschen mit einem anderen Lebensstil mehr auf Augenhöhe begegnen.

Türen öffnen für andere Lebenswelten

Als Kinder lernen wir zudem auch die Eltern unserer Freunde kennen. Sie sind für unser soziales Netzwerk genauso entscheidend. Zum einen können sie uns neue Perspektiven aufzeigen, zum Beispiel in Hinblick auf Berufe.

Und sie können uns gleichzeitig mit ihrem sozialen Netzwerk, ihrer Erfahrung, ihrem Wissen aushelfen. Aladin El-Mafaalani spricht hier von sozialen Paten: "Diese sozialen Paten sind nicht selten Eltern von befreundeten Mitschülern, die den sozialen Aufstieg von ärmeren Kindern positiv unterstützen können."

Wenn wir beispielsweise ein bestimmtes Praktikum machen möchten oder eine Stelle interessant finden, kann es einen Unterschied machen, ob wir jemanden kennen und einen direkten Kontakt haben oder auf allgemeine Infos zurückgreifen müssen.

"Wir haben viele informelle Strukturen – gerade auf dem Arbeitsmarkt. Vieles passiert unter der Hand."
Aladin El-Mafaalani, Soziologe, Universität Osnabrück

Unser soziales Netzwerk können wir uns aber auch später aufbauen, sagt der Soziologe. Im Studium zum Beispiel. Hier lernen wir verschiedene Menschen kennen und können uns über ähnliche Interessen mit ihnen verbinden.

Dann kann es sich lohnen, mit ihnen in Kontakt zu bleiben und später im Berufsleben auf sie, ihre Erfahrungen und ihr soziales Netzwerk zurückzugreifen. "Netzwerken ist mehr als Wichtigtuerei. Es ist tatsächlich ein Netz an Menschen, auf die man zurückgreifen kann. Sobald man jemanden kennt, ist der auch eher bereit, einem zu helfen", sagt Aladin El-Mafaalani.

Shownotes
Soziale Mobilität
Mehr verdienen durch wohlhabende Freunde
vom 05. August 2022
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Aladin El-Mafaalani, Soziologe, Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft, Universität Osnabrück