Auf Tiktok und Insta gibt es zurzeit den Trend "Was mein Ex getan hat – und ich bin trotzdem geblieben". Dabei erzählen Menschen, was sie sich in der Beziehung haben gefallen lassen, ohne sich zu trennen. Davon zu Erzählen kann tatsächlich helfen, eigene Beziehungsmuster zu reflektieren, sagt eine Psychotherapeutin.

Zuerst hatten Jen und Kiki auf ihren Social Media-Kanälen ihre eigenen unangenehmen Erfahrungen mit Ex-Partnern geteilt. Mittlerweile lesen sie aus den vielen Nachrichten ihrer Followerinnen und Follower vor. Und zwar Geschichten wie diese: "Ich hatte damals auf der Autobahn einen Auffahrunfall am Stauende. Er hat mich noch nicht mal gefragt, ob es mir gut geht... weil wenn nicht, würde ich ja nicht schreiben können."

Abwertung in der Partnerschaft

Die Erfahrungsberichte auf Tiktok und Co. rangieren zwischen lustig über seltsam bis haarsträubend, findet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Astrid Wulf. Abwertung in der Partnerschaft kann allerdings auch ganz subtil daherkommen, meint Psychotherapeutin Susanne Wegner, etwa in Form von anhaltender Kritik am Partner oder der Partnerin:

"Den anderen klein halten, ihn abwerten, alles kritisieren, was er sagt und tut, um sich selbst sicherer und besser zu fühlen."
Susanne Wegner, Psychotherapeutin an der Lübecker Uniklinik

Laut der Psychologin spielt in diesem Zusammenhang auch die sogenannte Invalidierung eine Rolle – heißt: "Dem anderen das Gefühl geben: So wie du fühlst, ist nicht richtig! Und das kann einem ja niemand sagen. Die Gefühle sind immer das eigene. Wenn ich wütend bin, bin ich wütend – egal was der andere sagt."

Die einen haben keine Probleme, gesunde Grenzen zu ziehen und einen liebevollen und wertschätzenden Umgang einzufordern – andere sehr wohl. Das liegt häufig an unseren Prägungen, sagt die Psychotherapeutin. Zum Beispiel kann eine Rolle spielen, wie unsere Eltern miteinander umgegangen sind. Auch Popkultur, in der eher vermeintlich leidenschaftliche und dramatische Beziehungen gefeiert werden, kann uns beeinflussen.

Prägungen von früher

Viele, die sich in Beziehungen Respektlosigkeiten, Unzuverlässigkeit bis hin zu psychischer oder physischer Gewalt gefallen lassen, kennen dazu Abwertung auch von ihren Eltern, Geschwistern, Freund*innen und Lehrer*innen, erklärt Susanne Wegner.

"Wenn ich regelmäßig erfahre, ich bin nicht gut genug, ich bin nicht liebenswert oder man liebt mich nur, wenn ich mich so und so verhalte, wenn ich mich unterordne, immer anpasse, dann wirkt sich das auf mein späteres Verhalten aus und auf meinen Selbstwert."
Susanne Wegner, Psychotherapeutin an der Lübecker Uniklinik

Oft suchen sich Menschen dann auch unbewusst Partnerschaften, in denen sie wieder abgewertet werden, erklärt die Therapeutin. Sie vermutet, dass vor allem Frauen in Hetero-Beziehungen unter dieser Dynamik leiden: "Es ist höchstwahrscheinlich so, dass es in unserer patriarchalen Gesellschaft häufiger vorkommt, weil es akzeptierter und normaler ist für den Großteil der Gesellschaft. Aber das schließt nie die anderen Fälle aus."

Wie Freunde und Familie helfen können

Aber was tun, wenn ich nicht genau weiß, ob ich überempfindlich bin oder das Verhalten meiner Partnerperson nicht in Ordnung ist? Was hilft, so Susanne Wegner: Mit möglichst vielen unterschiedlichen Leuten darüber zu sprechen: "Man erzählt irgendetwas und dann will man das mit Humor nehmen, guckt in sein Gegenüber – und keiner lacht. Sondern alle sagen: Das hast du dir gefallen lassen? Und dann wird einem oft erst bewusst: Krass! Nein, ich möchte nicht so behandelt werden."

Fehlverhalten ansprechen und Trennung nicht ausschließen

Nach der Erkenntnis, dass etwas schief läuft, stellen sich Betroffene häufig die Frage: Was damit anfangen? Denn wer Probleme hat, liebevolles Verhalten einzufordern, hat oft auch Schwierigkeiten, für sich einzustehen, erklärt die Psychotherapeutin: "Wird der andere böse auf mich sein? Könnte die Beziehung schlechter werden? Könnte es sein, dass wir uns trennen? Was bedeutet das? Ich will gar nicht alleine sein. Ich finde gar nichts besseres, ich finde vielleicht gar keinen Partner mehr. Oh Gott – ich mach’s lieber nicht..."

Wenn sich etwas in der Beziehung ändern soll, führt allerdings kein Weg daran vorbei. Susanne Wegner rät, keine Vorwürfe zu formulieren, sondern eher die Dynamik zu beschreiben und die eigenen Gefühle und Bedürfnisse anzusprechen zum Beispiel so:

"Ich habe nachgedacht. Es häuft sich, dass das und das passiert, wir so und so interagieren – und ich habe gemerkt, das macht mich traurig, das verletzt mich. Ich will, dass wir anders miteinander umgehen."
Susanne Wegner, Psychotherapeutin an der Lübecker Uniklinik

Ist die Partnerperson partout nicht bereit, an den Problemen zu arbeiten, sollte man womöglich über die Trennung nachdenken, so die Psychotherapeutin, und bei psychischer und physischer Gewalt sowieso.

"Was mein Ex getan hat..." kann helfen

Social-Media-Trends wie "Was mein Ex getan hat – und ich bin trotzdem geblieben" können helfen, sich mit solchen Erlebnissen nicht alleine zu fühlen und die eigene Beziehung auch mal zu reflektieren, sagt Susanne Wegner.

Und sich darüber lustig zu machen, was man in Beziehungen alles hat durchgehen lassen – ob unter Freund*innen oder auf Social Media – kann aus Sicht der Psychotherapeutin auch sehr heilsam sein: "Ich schaue nicht nur negativ in die Vergangenheit sondern schmunzele jetzt vielleicht auch drüber und kann in diesem Empowerment-Sinne sagen: Ja, das passiert mir nicht noch mal!"

Shownotes
Social-Media-Trend "Was mein Ex getan hat..."
Beziehung: Schlecht behandelt – trotzdem geblieben
vom 22. April 2025
Moderator: 
Nik Potthoff
Autorin: 
Astrid Wulf, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin