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Sarah hat ihre Eizellen mit Ende 20 einfrieren lassen. Das hat ihr eine gewisse Freiheit gegeben, auch später schwanger werden zu können. Social Freezing kann eine Option sein – ist aber nicht die Lösung.

Für Sarah war schon immer klar: Sie möchte einmal Kinder haben. Mit 29, als Sarah Single war und ihr Fokus erst mal auf ihrer beruflichen Karriere lag, hat sie sich dann entschieden, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Das ist auch als Social Freezing bekannt. Dabei werden unbefruchtete Eizellen eingefroren und gelagert, ohne dass dafür ein bestimmter medizinischer Grund vorliegt.

Für Sarah bedeutet das ein Stück weit Freiheit, weil sie weiß: Wenn sie später soweit ist, kann sie auf ihre jüngeren Eizellen zurückgreifen.

"Ich finde, es gibt einem unglaublich viel Freiheit. Es gibt sehr viele Sachen im Leben, die man nicht planen kann, das ist wie eine Versicherung für einen als Frau."
Sarah, hat sich ihre Eizellen einfrieren lassen

Schwanger werden und Fruchtbarkeit

Diesen Schritt mit Ende 20 zu gehen, ist vergleichsweise früh. Ihre Arbeit hat sie für das Thema sensibilisiert, erzählt sie. Sarah ist Ärztin und arbeitet als Dermatologin. Sie hatte damals mitbekommen, dass Social Freezing in den USA schon ein größeres Thema war und sich deshalb damit beschäftigt. Als Medizinerin war ihr zusätzlich bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, statistisch gesehen mit dem Alter abnimmt.

Rein körperlich betrachtet sind die Voraussetzungen schwanger zu werden, zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr am günstigsten, sagt Gynäkologin Mandy Mangler. Sie ist Chefärztin der Kliniken für Gynäkologie an zwei Berliner Vivantes Krankenhäusern. Davor oder danach ist eine Schwangerschaft auch gut möglich. Ab 30 Jahren nehme aber die Zeit, die es braucht, schwanger zu werden, leicht zu. Fünf weitere Jahre später verlängert sich diese Zeit noch mal mehr. Der Grund dafür sind Alterungsprozesse in unserem Körper. Auch Erkrankungen können die Fruchtbarkeit beeinflussen.

"Social Freezing ist eine ganz interessante Möglichkeit, die biografische Gegebenheiten mit den biologischen Herausforderungen zu kombinieren."
Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie in zwei Berliner Vivantes Krankenhäusern

Wie individuell das Thema Fruchtbarkeit und Schwangerschaft aber sind, zeigen auch neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Früher dachte man zum Beispiel immer: Damit es zu einer Schwangerschaft kommt, zählt bei den Spermien die Schnelligkeit. Jetzt konnte hingegen belegt werden: Vor allem müssen Eizelle und Spermium ein gutes Match sein. Das heißt: Die Immunsysteme der Menschen, die miteinander Kinder haben wollen, müssen miteinander vereinbar sein.

Die Herausforderungen und Einschränkungen beim Schwanger werden sind zu ungefähr je einem Drittel auf die körperlichen Voraussetzungen der Frau, des Mannes und auf die Kombination der beiden verteilt, so Mandy Mangler.

So läuft Social Freezing ab

Für Menschen, bei denen die Zeit eine zusätzliche Herausforderung werden kann wie bei Sarah, könnte Social Freezing eine Option sein. Bevor die Eizellen aber überhaupt eingefroren werden können, müssen sie erst mal entnommen werden.

Bis zur Entnahme durchläuft man einen Prozess, der ungefähr 14 Tage lang dauert. In der Zeit findet zum Großteil eine Stimulationsbehandlung statt. Die hat das Ziel, dass eine größere Menge an reifen Eizellen entsteht, die im Anschluss eingefroren werden können. Teil der Stimulationsbehandlung sind Hormonspritzen, die man sich selbst verabreicht, erklärt Annette Bachmann. Sie ist Oberärztin am Kinderwunschzentrum des Uniklinikums Frankfurt am Main.

"Das größte Risiko ist, dass der Erfolg nicht so ist wie erhofft: dass man nicht genügend reife Eizellen hat oder die Eizellen später nicht befruchtet werden."
Annette Bachmann, Oberärztin, Kinderwunschzentrum des Universitätsklinikums Frankfurt am Main

Eine Eizellen-Entnahme kann allerdings auch erfolglos sein. Es ist zum Beispiel möglich, dass sich trotz der Behandlung nicht ausreichend reifen Eizellen bilden oder die Eizellen später nicht befruchtet werden können, es also nicht zu einer Schwangerschaft kommt. Social Freezing ist "keine Vollkaskoversicherung", sagt Annette Bachmann.

Die Entnahme der Eizellen ist zudem auch ein medizinischer Eingriff, der Risiken mit sich bringt. Im schlimmsten Fall kann es etwa zu einer Blutung im Bauchraum kommen. Das passiere laut Annette Bachmann aber nur sehr selten.

Wenn die Eizellen-Entnahme nicht erfolgreich war, muss ein Zyklus vergehen, bis ein nächster Versuch möglich ist. Die Kosten für das Social Freezing trägt man in der Regel selbst. Sarahs Behandlung hat damals rund 3000 Euro gekostet. Dazu kommen jedes Jahr ungefähr 400 Euro für die Lagerung ihrer eingefrorenen Eizellen.

Bei Sarah konnten schon beim ersten Mal 30 Eizellen entnommen werden. Ihre Behandlung lief problemlos. Sie kennt aber auch Berichte von Frauen, die über Beschwerden gesprochen haben. Vor allem im Zusammenhang mit der Einnahme der Hormone.

Social Freezing als Plan B

Heute ist Sarah Mitte 30 und schwanger. Ihre Eizellen von damals sind aber alle weiterhin eingefroren. Sarah und ihr Partner wollten erst mal versuchen, auf natürliche Weise schwanger zu werden.

Ihr hat das Einfrieren eine gewisse Unabhängigkeit gegeben: "Ich wollte auch nicht den Druck verspüren, den man, glaube ich, als Frau ab dem dreißigsten Lebensjahr häufig von außen verspürt. Dass man gefragt wird: Warum hast du keinen Partner? Willst du keine Familie haben? Es war schon das, was ich immer wollte. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt eben nicht den passenden Partner und es sollte für mich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht sein", sagt sie.

Kinderkriegen attraktiver machen

Dass Social Freezing genutzt wird, zeigt für Gynäkologin Mandy Mangler, dass es einen Bedarf gibt. "Wir haben eben ein fruchtbares Fenster, was sich irgendwann schließt, wenn wir Anfang/Mitte 40 sind. Vielleicht haben wir dann aber erst eine gesettelte Situation, wo wir uns vorstellen kann, Kinder zu bekommen. Und diesen Zwiespalt löst Social Freezing", erklärt sie.

Daraus ergibt sie für Gynäkologin die Frage, wie wir als Gesellschaft die Situation für Familien und Frauen so verbessern können, dass es nicht zu diesem Zwiespalt kommt. Neben Möglichkeiten wie Social Freezing sollte es ihrer Meinung nach auch darum gehen werden, wie das Kinderkriegen für Frauen wieder attraktiver gemacht werden kann. Dabei geht es also um die Frage nach der Aufteilung von Care Arbeit und einem Ausgleich für finanzielle Nachteile wie einem Karriereknick oder Einbußen bei der Rente.

In der Podcast-Folge geht Oberärztin Annette Bachmann noch mehr auf den Prozess des Social Freezings ein und erklärt dabei auch, was das Anti-Müller-Hormon beim Kinderwunsch tatsächlich aussagt. Klickt dafür oben auf den Play-Button.

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Shownotes
Schwangerschaft
Social Freezing: Bis später, Baby?
vom 17. Februar 2025
Gesprächspartnerin: 
Sarah, hat mit 29 Eizellen einfrieren lassen
Gesprächspartnerin: 
Annette Bachmann, Oberärztin, Kinderwunschzentrum des Universitätsklinikums Frankfurt am Main
Gesprächspartnerin: 
Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie am Vivantes Klinikum Neukölln
Autorin und Host: 
Shalin Rogall 
Redaktion: 
Anne Bohlmann, Sarah Brendel, Clara Neubert, Friederike Seeger 
Produktion: 
Gunda Herke