• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Halten wir Social Distancing ein? Mithilfe anonymisierter Ortungsdaten von Smartphones sollen Regierungen jetzt überprüfen, ob wir zu Hause bleiben oder weiter unterwegs sind. In Österreich und Israel ist das schon so. Die Daten bekommen sie von den nationalen Mobilfunkanbietern.

In Ländern mit vielen Corona-Patienten gibt es mittlerweile Ausgangsbeschränkungen – es geht um Social Distancing. In Österreich sollen Menschen zum Beispiel nur das Haus verlassen, wenn sie auf ihrer Arbeitsstelle anwesend sein müssen, Lebensmittel und Medikamente besorgen oder anderen Menschen helfen.

Inwiefern die Österreicherinnen und Österreicher diese Vorgaben einhalten, überprüft die Regierung mittels anonymisierter Bewegungsdaten. Die bekommt sie aktuell vom Mobilfunkanbieter A1. "A1 stellt diese Analysen in Krisenzeiten relevanten staatlichen Stellen zum Wohle der Allgemeinheit zur Verfügung", schreibt das Telekommunikationsunternehmen.

Bewegungsprofile durch aktive Standort-Funktion

Hinter den Bewegungsprofilen stecken die üblichen Handyortungsdaten der Nutzerinnen und Nutzer. Aktivieren sie die Standort-Funktion in ihrem Smartphone, sendet das Gerät Ortsdaten an den Handyanbieter. Genauer kann der Provider erkennen, über welchen Mobilfunkmasten sich die Kunden ins Netz einwählen. Mithilfe dieser Daten erfährt die österreichische Regierung also, ob die Menschen zu Hause sind oder unterwegs. Gegebenenfalls kann sie die Ausgangsbeschränkung ausweiten oder es bei der bestehenden Regelung belassen.

Datenschutzrechtlich ist das Untersuchen der Standortdaten auf jeden Fall ok, schreibt A1 weiter. Durch die Analysen sei es nicht möglich, auf einzelne Personen zu schließen. Anwalt Rainer Knyrim ist auf Datenschutz spezialisiert und sieht das ähnlich, wie er futurezone.at mitteilte. Die Oppositionsparteien im Land kritisieren diesen Schritt der Regierung hingegen stark. Sie sehen die Bürger- und Freiheitsrechte in Gefahr.

Tracken von Corona-Patienten

Israel zum Beispiel geht einen Schritt weiter. Auf die explizite Erlaubnis der Regierung darf der israelische Geheimdienst nämlich die Mobilfunkdaten einzelner Personen tracken. Bei Verstößen drohen Sanktionen. Der Geheimdienst kann beispielsweise mit dem neuartigen Coronavirus infizierte Menschen per SMS warnen, wenn sie scheinbar gegen amtliche Vorgaben verstoßen. Wiederholt sich das, rückt die Polizei aus.

Zwischen Prävention und Überwachung

Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte erinnert die Analyse der Ortungsdaten durch Behörden stark an einen Überwachungsstaat. "Hier müssen die Gesellschaften schwer aufpassen, dass zwar das medizinisch Notwendige getan wird, aber dass auch Freiheitsrechte nicht ungehemmt eingeschränkt werden. Ein schmaler Grat", sagt sie.

"Solche Einschränkungen von Freiheitsrechten zu unserem Schutz könnten auch über die Corona-Krise hinaus unser Zusammenleben länger bestimmen als uns lieb ist."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Ob und wie anonymisierte Bewegungsprofile deutscher Handynutzerinnen und -nutzer auch zur Prävention gegen das Virus verwendet werden können, ist von offiziellen Seiten noch nicht bestätigt. Laut Recherchen des Tagesspiegels soll Deutschland dem österreichischen Modell offenbar folgen und Forschenden die Ortungsdaten ebenfalls anonymisiert zur Verfügung stellen.

Shownotes
Prävention und Datenschutz
Regierungen überprüfen Social Distancing per Handyortung
vom 18. März 2020
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin