Schlank oder eigentlich schon viel zu dünn? Vielleicht sogar magersüchtig? Obwohl es uns nicht zusteht, neigen wir dazu, das Körpergewicht anderer zu bewerten. Skinny Shaming heißt es, wenn Menschen aufgrund ihres geringen Gewichts diskriminiert werden. Bei Betroffenen wie Lara kann das Scham auslösen. Psychologin Claude-Hélène Mayer erklärt, warum das so ist. Und Psychologin Julia Tanck weiß, wie man Menschen achtsam auf ihr Gewicht ansprechen kann.
Lara ist 19 Jahre alt. Sie hat gerade mit dem Studium angefangen und modelt nebenbei. Was im Modelbusiness meist Voraussetzung ist – ein extrem schlanker Körper – stresst Lara bereits seit ihrer Pubertät. Denn ihr wir seitdem ständig gesagt, dass sie eigentlich zu dünn sei.
"'Guck mal, wie dünn die ist, das ist ja schrecklich. Du bist magersüchtig, iss was.' Wo ich mir denke: Leute, ich sehe vielleicht dünn aus, ich bin aber weder magersüchtig noch sonst etwas."
Für Lara gehört es schon zu ihrem Alltag, aufgrund ihres Körpergewichts bewertet und beurteilt zu werden. Viele vermuten, dass sie magersüchtig sei und bewusst wenig esse, um extrem schlank zu bleiben, erzählt sie. Dass hinter ihrem dünnen Äußeren eine mitunter schwere und chronische Erkrankung steckt, vermutet kaum jemand. Und im Prinzip geht diese Diagnose außer Lara auch niemanden etwas an.
Der Wunsch, äußerlich der Norm zu entsprechen
Für Lara ist das, was sich viele junge Frauen in ihrem Alter wünschen, zur Belastung geworden: Sie ist sehr dünn. Und dadurch wird sie ständig von anderen beurteilt. Wenn sie ihr eigenes Spiegelbild ansieht, wünscht sie sich oft, nicht so dünn zu sein, sondern mehr der Norm zu entsprechen, um nicht so stark aufzufallen. Und sie kann auch verstehen, dass manche besorgt sind, wenn sie sie sehen. Trotzdem kann es ihr zu schaffen machen: Die prüfenden Blicke sorgen gelegentlich dafür, dass sich Lara für ihr Aussehen schämt.
"Manchmal schaue ich mich im Spiegel an und denke mir 'Du bist ja echt dünn'. Und ich finde das langsam auch nicht mehr schön. Ich wäre schon froh, wenn mein Köper auch für andere gesünder aussehen würde."
Dünn zu sein, ist in unserer Gesellschaft ein Merkmal, das grundsätzlich positiv belegt ist, sagt Claude-Hélène Mayer, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie. Die gesellschaftliche Norm kennt aber auch ein "zu dünn", was wiederum negativ gewertet wird. Wer als "zu dünn" angesehen wird, erfüllt demzufolge nicht die Norm, erklärt die Psychologin. Und das Gefühl, nicht "reinzupassen", kann uns dann wiederum beschämen.
"Wenn wir den Eindruck haben, dass unser Körper nicht die soziale Norm erfüllt, die in einer Gesellschaft vorherrscht, dann fühlen wir uns oftmals beschämt."
Körperscham wird als besonders starke Form von Scham erlebt, weil unser Körper auch für unsere Identität steht, sagt die Organisationspsychologin Claude-Hélène Mayer. Menschen wie Lara werden zudem nicht nur im Alltag mit negativen Kommentaren konfrontiert, sondern auch in den sozialen Medien. Das sei besonders schwerwiegend, weil es den Eindruck machen könne, "dass die ganze Welt diese Beschämung miterlebt", sagt Claude-Hélène Mayer.
Warum wir Körper kommentieren
Die Psychologin Julia Tanck hat zum Zusammenhang von Social Media und dem Körperbild von Frauen geforscht. Sie sagt, dass wir eine "körpersensible Gesellschaft" sind. Die meisten von uns setzen sich viel mit dem eigenen Körper auseinander. Auch die Obsession, den eigenen Körper optimieren zu wollen, sei weit verbreitet.
"Körperkommentare zu jemand anderem, die ungefragt passieren, sind verletzend und übergriffig."
Es sei fast schon normal, Körper zu bewerten und zu beurteilen – weil viele das möglicherweise auch schon selbst so erlebt hätten, sagt Julia Tanck.
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