In New York können besorgte Bürger verdächtige Dinge oder Personen per App an den Heimatschutz melden. Wer in Deutschland Falschparker verpfeifen will, kann das auch per App tun. Ist das legitim oder hinterhältig?

In New York haben staatliche Heimatschützer ein Experiment gemacht: Sie haben einen Wagen voller sichtbarer Fake-Giftfässer neben einem Zebrastreifen abgestellt. Erst nach vier Tagen wurde er gemeldet. Mit der App See something send something wäre das nicht passiert, meinen die Behörden.

"A new way to help fight terrorism"
Verspricht das Werbevideo der für die App "see something, send something"

Falschparker verpfeifen

Eine deutsche App zum Verpfeifen ist etwas harmloser: Wegeheld. Wer mag, kann damit Falschparker melden. Einfach ein Foto machen, Standort und ein bisschen Text dazu und alles wird direkt ans Ordnungsamt geschickt. Bürger haben die App entwickelt. Behörden befürchten allerdings eine Anzeigenflut. Weil sie jede Meldung bearbeiten müssen, sind sie nicht begeistert von der App.

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Für ein sauberes Zürich

In der Schweiz ist die Stadtverwaltung Zürich stolz auf eine ähnliche App: Mit Züri- wie neu sollen die Bürger Infos zu Schlaglöchern oder schmuddeligen Ecken direkt an die Behörden schicken.

DRadio-Wissen-Reporter Christian Schmitt hat die App "Wegeheld" ausprobiert.
"Einfach aus dem Handgelenk ein Foto machen, dann schlägt einem die App drei Denunziermethoden vor: Auf Facebook posten, auf Twitter, oder direkt ans Ordnungsamt weiterleiten"

Freundlich ausgelegt, petzen wir, weil wir uns nach Fairness und Gerechtigkeit sehnen. In Wirklichkeit kann das Petzen aber schnell zum Problem werden: Wir sind zu Mündigkeit und Autonomie erzogen. Beim Petzen geben wir genau das ab. "Wir wollen Verantwortung abgeben und testen, ob die Autorität, an die wir petzen, die Regeln durchsetzt, an die wir glauben", erklärt die Philosophin Rita Molzberger.

Persönlich in Erscheinung treten

Ein Beispiel: Ein Nachbar trennt den Müll und wir verpfeifen ihn beim Vermieter. Rita Molzberger rät in so einem Fall: Lieber selbst beim Nachbarn klingeln und ihn ehrlich damit konfrontieren, dass wir mit seinem Verhalten nicht einverstanden sind. "Es ist ein Zeichen von Unfairness, wenn ich petze. Ich benenne den einen als Person, komme aber selber nicht als Person ins Spiel." Ähnliches gilt übrigens auch für die oben beschriebenen Apps. Anders ist es natürlich, wenn es beim Petzen um eine Sache geht und nicht eine Person. Ein Schlagloch könnt ihr per App ruhig melden, sagt Rita Molzberger.

"Digitalisierung führt dazu, dass wir auch Depersonalisieren. Das heißt, durch Apps bauen wir Distanz auf und können leichter denunzieren und anzeigen. Das Ganze ist schwieriger, wenn wir der Person gegenüberstehen."
Rita Molzberger ist Philosophin und arbeitet an der Uni Köln

Petzen? Geht gar nicht!

Apps und Kommentare im Netz machen das Petzen leichter, sagt Rita Molzberger. Der Haken daran: Sie setzen auch die Hemmschwelle herab. "Es wird so getan, als würde die Technik das alles verwalten, aber letztlich stehen ja Personen dahinter."

In seltenen Fällen kann Anschwärzen eine Gesellschaft auch weiterbringen: Wenn es zum Beispiel um Whistleblowing geht. Moralisch betrachtet, ist petzen nicht gut, sagt Rita Molzberger. Wie wir das herausfinden können? Immer wenn ein Mensch sich hinter Strukturen zurückzieht, um einen anderen Menschen anzuschwärzen, wird es problematisch.

Shownotes
Sicherheits- und Petzerapps
Von Petzen bis Terrorabwehr
vom 24. November 2015
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Rita Molzberger, Philosophin an der Uni Köln