Eine neue Umfrage gibt an, wie viele Menschen sich in den USA als LGBT identifizieren. Statistiken über Identität und sexuelle Orientierung sind aber problematisch, weil sie mit starren Kategorien arbeiten – Identität und sexuelle Orientierung hingegen individuell und multi-dimensional ist.
In den USA identifizieren sich so viele Menschen wie nie als lesbisch, schwul, bi oder trans. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup. Demnach gaben 7,1 Prozent von mehr als 12.400 Erwachsenen an, LGBT zu sein. Das sind doppelt so viele Menschen wie vor zehn Jahren. 2012 hat das Umfrageinstitut zum ersten Mal Menschen in den USA zu ihrer Identität und sexuellen Orientierung befragt.
"Der Anteil der LGBT-Personen hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt."
Von den Befragten identifizieren sich Menschen in der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren – mit knapp 21 Prozent – am häufigsten als lesbisch, schwul, bi oder trans. Zum Vergleich: 2017 waren es in der gleichen Umfrage noch sieben Prozent. Bei Menschen im Alter von 26 bis 41 Jahren sagen 10,5 Prozent, dass sie eine LGBT-Identität haben.
Mehr Rechte und Sichtbarkeit
Die Umfrage geht auf die Gründe für den starken Anstieg bei den 18- bis 25-Jährigen nicht ein. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Katja Vossenberg vermutet, mehr Rechte und eine größere Sichtbarkeit von LGBT-Personen könnten dafür sorgen, dass sich mehr Menschen trauen, über ihre Identität und sexuelle Orientierung zu sprechen, beziehungsweise ihr nachzugehen. Das könnten zumindest Gründe für eine ähnliche Entwicklung in Deutschland sein.
Die Ehe für alle, die Möglichkeit der sogenannten dritten Option "divers" beim Eintrag ins Personenstandsregister oder auch die Debatte um das Transsexuellengesetz sorgen dafür, dass wir in unserer Gesellschaft über die Rechte von LGBT-Personen sprechen und mehr Gleichberechtigung einfordern. Transgeschlechtliche Politiker*innen im Bundestag oder auch queere Charaktere in Filmen oder Serien machen LGBT-Personen zusätzlich sichtbar.
Je größer die Selbstverständlichkeit von Queerness in einer Gesellschaft, desto eher identifizieren sich Menschen öffentlich als LGBT – zum Beispiel auch im Rahmen einer Telefonumfrage, vermutet Katja Vossenberg.
"Wenn Queerness gesellschaftlich selbstverständlich existiert und anerkannt ist, dann ist es für mich auch eher eine Option, queeren Neigungen nachzugehen."
Identität und Sexualität passen in keine Box
Identitäten und sexuelle Orientierung sind aber nur schwer in Statistiken festzuhalten. Das ist auch eine Kritik an Datenerhebungen wie etwa die aktuelle Umfrage.
Zum einen basieren die Umfragen auf der Selbstauskunft der Befragten. Hier stellt sich die Frage, inwiefern sie sich trauen, einer unbekannten Person am Telefon ehrlich Fragen zu ihrer Identität und sexuellen Orientierung zu beantworten. Denn: Beides ist individuell und privat.
Vor allem werden vorgefertigte Kategorien dem nicht gerecht. Alleine Sexualität kann unterschiedlich viele Dimensionen haben, die in keine der abgefragten Kategorien passt, sagt der Sozialpsychologe Ulrich Klocke. Das kann zum Beispiel ein Mann sein, der mit Männern und Frauen Sex hat, sich aber nicht als bisexuell identifiziert.
Wen wir anziehend finden, mit wem wir Sex haben und wie wir unsere Identität wahrnehmen, können bei einer Person unterschiedliche Dimensionen sein, die nicht übereinstimmen, so der Sozialpsychologe.
"Es sollte keine Rolle spielen, wie viele LGBT-Menschen es gibt, um sie gesellschaftlich anzuerkennen."
Zahlen und Daten über Menschen sollten nicht ausschlaggebend sein, damit alle Menschen gleichberechtigt sind, findet Katja Vossenberg. Sie weiß aber auch, dass etwa der Demograf Gary Gates dem entgegnen würde, dass es Daten brauche, damit die Politik auch LGBT-Menschen beachtet.