Der Rock war zu knapp – sexualisierte Gewalt und Victim Blaming gehören oft zum Alltag. Eine norwegische Studie hat gezeigt, dass das Strafmaß oft deutlich reduziert wird, wenn in Prozessen Stereotype und Vorurteile gegen die Opfer genutzt werden.
Die Forschenden haben 153 norwegische Gerichtsurteile untersucht. Dabei kam raus: Wenn im Prozess beispielsweise gesagt wurde, "das Opfer war aufreizend angezogen" oder "die Frau hat vorher einen anderen Mann geküsst" oder "sie hat nicht deutlich 'Nein' gesagt", dann bekamen die Angeklagten im Schnitt 16 Monate weniger Haft als in Fällen ohne solche Beschreibungen. Auch dann, wenn es Beweise gab oder wenn klar war, dass der Täter gewalttätig war.
Schuld wird vom Täter zum Opfer geschoben
"Das sind Stereotype und Vorurteile, die die Schuld vom Täter zum Opfer schieben. Auf diese Weise wird sexualisierte Gewalt verharmlost – oder sogar gerechtfertigt."
Dahinter stehen Stereotype und Vorurteile und die Schuld wird vom Täter zum Opfer geschoben, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Matthias Wurms: "Also zum Beispiel, wenn jemand sagt, eine Frau könnte doch auch "Ja" meinen, wenn sie "Nein" sagt." Aber dazu gehören auch sexistische Sprüche wie: Frauen übertreiben immer oder Frauen sind hysterisch oder überempfindlich, so unser Reporter. Das könne dann dazu führen, dass Richter Vergewaltigungsopfern nicht glauben.
Vergewaltigungsmythos hält sich bis heute
Dieses Aspekte fallen unter den Begriff "Vergewaltigungsmythos", den bereits 1980 die US-Sozialpsychologin Martha Burt geprägt hat, erklärt Matthias Wurms: "Die Haltung dahinter ist aber natürlich viel älter – und die hält sich offenbar bei vielen auch 45 Jahre später noch." Manche Opfer würden sogar selbst an solche Vergewaltigungsmythen glauben und sich eine Mitschuld geben.
Ein Blick nach Deutschland: Bis 2016 hat es im deutschen Sexualstrafrecht nicht gereicht, wenn eine Frau "Nein" gesagt hat. Die EU wollte das eigentlich vor anderthalb Jahren anders regeln. Eine Richtlinie sollte festschreiben, dass Geschlechtsverkehr immer unfreiwillig ist, wenn nicht beide eindeutig einwilligen. Also nicht nur: "Nein heißt Nein", sondern: "Nur Ja heißt Ja". Das hat die Bundesregierung <aber damals blockiert.
Wie Gerichtsverfahren besser ablaufen könnten
Die Forschenden sagen, dass Aussagen von Sachverständigen helfen könnten, so unser Reporter: "Das zeigt zum Beispiel eine Studie aus Australien. Nimm den Fall, dass eine Frau, die vergewaltigt wird, wie erstarrt ist und sich nicht wehren kann. Oder dass sie nach einer Vergewaltigung lange wartet, bis sie es anzeigt. Beides wird Opfern oft vorgehalten. Wenn aber Fachleute erklären, woran das liegt oder dass das normal ist, dann glauben mehr Menschen, dass das Opfer die Wahrheit sagt."
Die Hauptautorin der norwegischen Studie sagt außerdem, dass es wichtig ist, noch mehr gegen diese Vergewaltigungsmythen vorzugehen. Sie sei selbst überrascht gewesen, wie weit diese Mythen verbreitet sind.