• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Das Angebot ist riesig: ob superstimulierende Sextoys, Porno-Websites für jeden Geschmack, oder Apps zum Casual Daten. Wir bekommen, was wir wollen. Aber macht das glücklich? Unser Reporter hat genauer nachgefragt.

Schon mal einen Porno geschaut? Ja, denken sich die meisten wahrscheinlich und schauen verdutzt. Denn die Schamgrenze ist noch immer hoch, darüber zu reden. Den Eindruck hatte zumindest unser Deutschlandfunk-Nova-Reporter Stephan Beuting, als er auf die Straße gegangen ist und die Menschen genau das gefragt hat. Statistiken sagen, dass beispielsweise schon 90 Prozent aller Männer mit 19 Jahren Pornos geschaut haben

Ähnlich scheint es in anderen Bereichen rund um Sex. Wir können Casual Daten und so viel Sex haben, wie wir wollen, uns alle Arten von Sextoys kaufen. Klingt für manche im ersten Moment eher nach sexueller Freiheit – gleichzeitig bemerken Paar- und Sexualtherapeuten wie Heike Melzer allerdings, dass mehr Menschen Hilfe brauchen.

Die These: Wir leiden an einem Überangebot

Vor Kurzem hat die WHO "zwanghaftes Sexualverhalten" als psychische Störung anerkannt. Heike Melzer behandelt Krankheitsbilder wie diese. In ihrem Buch "Scharfstellung" verknüpft sie diese Praxiserfahrungen mit neurologischen Erkenntnissen: Für sie sind immer ausgefeiltere Sex-Angebote und deren massenhafter Konsum eine Ursache für sexuelle Probleme oder Störungen.

"Pornografie ist so ein Bereich. Aber das gibt’s ja auch mittlerweile in 3D, mit Ganzkörperanzügen, mit virtuellen Sex-Toys, auch schon in 4D - das Ende der Fahnenstange ist da noch gar nicht erreicht. Aber mittlerweile treten auch schon Kollateralschäden des Überkonsums auf, und das lässt Leute aufhorchen."
Heike Melzer, Paar- und Sexualtherapeutin

Die These von Heike Melzer: Das Zuviel an Porno, Casual Dating, superstimulierende Sex-Toys und Co stumpfe uns derart ab, dass der partnerschaftliche Sex auf einmal gar nicht mehr befriedige. Sie beobachtet: Wer da tief drinstecke, der suche ständig, für den gehe es vor allem um den nächsten Kick.

"Und irgendwann geht das dann in eine Phase, wo wir dann in der Sucht gar nicht mehr richtig steuern können. Und wir merken das in der Sexualität, dass wir immer nach neuen Partnern Ausschau halten, immer stärkere Reize brauchen und etwas suchen, was noch mehr kickt."
Heike Melzer, Paar- und Sexualtherapeutin

Die Sexualtherapeutin vergleicht dieses Verhalten mit der Situation wenn eine Person, die lange kein Essen hatte und in einen vollgestopften Supermarkt kommt: Dieser Mensch werde wahrscheinlich so lange essen, bis irgendwann das Übergewicht kommt und dadurch Beschwerden entstehen. Erst dann würde sie oder er vielleicht aufhören, so viel zu essen und sich darauf besinnen, was wirklich glücklich macht.

Das eigene Motiv beim Sex ist wichtig

Das ist eine Sicht auf die Dinge. Um eine andere Meinung einzuholen, hat Stephan auch mit Carla Pohlink gesprochen. Die Ärztin und Sexualtherapeutin sagt, sie ist nicht gegen Pornos und plädiert offen für Masturbation. Die Entwicklung und das Angebot der Industrie schrecken sie auch nicht ab – das gehöre dazu, Menschen hätten heute ja auch mehr als Kernseife.

"Ich gehe ja eh von der These aus, dass jeder so der sexuelle Selbstversorger ist."
Carla Pohlink, Ärztin und Sexualtherapeutin

Beide Expertinnen sind sich aber einig, dass wir das Motiv in den Blick nehmen sollten, warum wir Sex haben wollen. Das sollten keine negativen Gefühle sein, die unterdrückt oder vergessen werden sollen – denn genau das könne am Ende zur Sucht führen.

"Wenn ich das Gefühl habe, ich habe keinen anderen Ausgleich für negative Gefühle wie Stress, Druck, Langeweile,Trauer, Wut und so weiter, und ich würde das als Kurzschluss-Selbstliebe benutzen - also im Prinzip ist es dann eigentlich auch nur eine Art Sucht wie wenn jemand raucht, Eis isst, Alkohol trinkt oder Drogen nimmt."
Carla Pohlink, Ärztin und Sexualtherapeutin

Für Stephan ist nach diesen Gesprächen klar: Wenn wir unser sexuelles Verhalten hinterfragen, dann lernen wir viel über uns. Und wenn wir Toys oder Pornos nutzen, dann sollten wir auf die Dosis achten und das nicht unbedingt geheimhalten, besser mal drüber reden.

Mehr zum Thema:

  • Sexroboter statt Sexpuppe – Sex wie im Porno  |   Sexpuppen werden dank moderner Silikonoberflächen immer menschenähnlicher und können zum Teil schon einigermaßen sprechen – deshalb werden sie auch als Sexroboter bezeichnet.
  • Studie zum Sexleben – Gewissenhaft ist sexy  |   Je gewissenhafter wir sind, desto zufriedener sind wir mit unserer Sexualität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Ruhruniversität Bochum.
  • Porno – Do it yourself  |   Stumpfes Rammeln, gestählte Körper und Abspritzen auf Kommando? Porno ist so viel mehr, sagt Porno-Produzent Patrick Catuz. Im Podcast erklärt er, warum er als Mann feministischen Porno macht und am liebsten mit Amateuren dreht.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Pornos, Sextoys und Co.
Was zu viel Angebot mit unserem Sexleben macht
vom 05. Oktober 2018
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Autor: 
Stephan Beuting