Wir freuen uns, wenn die Tage wieder länger werden. Der Frühling kommt mit Licht und Energie. Doch es gibt Leute, die sich freiwillig in die Dunkelheit stürzen.
Bei Dunkelretreats fahren die Teilnehmer nicht nach Lappland, sondern kleben einfach die Fenster lichtdicht zu. Das soll der Selbsterkenntnis dienen. Manche von ihnen verbringen bis zu drei Jahren in der Dunkelheit. Unsere Reporterin Franziska Felber hat erst mal mit 24 Stunden angefangen.
"24 Stunden Dunkelheit. 1440 Minuten sind das, 86.400 Sekunden. Ohne Möglichkeit mich abzulenken. Ich kann mir alles vorstellen: Eine erholsame Zeit, aber auch den blanken Horror."
Saskia John ist Heilpraktikerin, bei ihr hat unsere Reporterin den Selbstversuch gewagt. Im Erdgeschoss ihres Hauses hat sie im ersten Stock einen kleinen Raum mit Dachschrägen bezogen - alle Fenster mit schwarzer Folie abgeklebt.
"Das ist keine Dunkelheit, an die sich die Augen mit der Zeit gewöhnen. Sondern es ist einfach schwarz."
Im Dunkeln setz bei unserer Reporterin Orientierungslosigkeit ein. Ihr Tastsinn ist jetzt gefragt: das Bett, die Kommode und die Klappmatratze in der Ecke. Auf einem flachen Tisch erfühlt sie Kannen mit Wasser und Tee. Ob die Tasse voll ist, merkt sie, als sie den Finger rein hält. Auch auf Toilette: totale Dunkelheit. "Geht aber alles wie gewohnt."
"Die Dunkelheit hat mich verschluckt - es fühlt sich toll an. Weil der Raum zumindest optisch verschwunden ist, bin da nur ich, eingelullt und ganz präsent."
Wie spät es ist, weiß sie nicht. Nach dem Aufstehen weiß sie nicht, wie lange sie geschlafen hat. Nach ein paar Aufmerksamkeitsübungen, die die Heilpraktikerin empfohlen hat, ist nichts mehr zu tun: "Ich liege rum, mache Yoga, genieße die Ruhe und dann überwältigt mich erneut der Schlaf."
"Ich bin so müde. Ich könnte mir vorstellen, dass ich jetzt zwei Stunden oder so weg war. Wenn das stimmt, ist es jetzt schon ungefähr halb acht am Abend."
Dunkelretreats fürs Wohlbefinden
Während sich unsere Reporterin auf den Abend einstellt, erscheint die Heilpraktikerin in der Tür. Zeit für eine Zwischenbilanz, die die beiden für die frühen Morgenstunden vereinbart hatten. Die Nacht ist längst rum - um sieben Stunden verschätzt. Es ist noch nicht vorbei. Die Heilpraktikerin rät, das neu entdeckte Wohlbefinden in der Dunkelheit weiter zu erkunden.
"Ich mache mir einen Spaß daraus im Dunkeln zu duschen und penne sofort wieder ein."
Beim Selbstversuch dehnt sich die Zeit "ins Unendliche". Panik kommt auf. Als sie schon gar nicht mehr damit rechnet, wird sie erlöst. "Ich musste alle Kräfte bemühen, um nicht mein Handy anzumachen und die Uhr zu checken", gibt Franziska Felber zu.
So schön es am Anfang war, so schlimm wurde es zum Schluss. "Dass ich die meiste Zeit verschlafen habe, darüber ist Heilpraktikerin Saskia John nicht überrascht. Die Menschen sind oft müde und erschöpft vom Alltag. Wenn sie dann zur Ruhe kommen, dann schlafen sie erst mal."
Eine solche Reise ins Innere ist unvorhersehbar. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Franziska Felber ist jedenfalls heilfroh, dass erstmal das Wochenende kommt - mit ganz viel Sonne. Ihr Fazit: "Mit Wellness hat das Dunkelretreat nichts zu tun. Doch zum Innehalten und In-Mich-Gehen würde ich es sofort wieder machen."
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