Lucca behindert sich aus psychischen Gründen selbst. Auch Lynn kennt Selbstsabotage. Und für Psychologen ist Self-Handicapping ein bekanntes Phänomen.
Wenn Lucca aus seiner Komfortzone raus muss, geht das Gedankenkarussell los und sein Körper streikt – auf die eine oder andere Weise. "Ich muss mich auf Sachen einstellen können", sagt er. Im Job herrscht Routine, aber Urlaub ist ein ganz klassisches Problem für ihn.
"Jedes Mal, bevor ich in den Urlaub gehe, geht es mir wahnsinnig schlecht, ich bekomme Schwindel, Übelkeit, manchmal sogar Fieber", sagt er. Es habe schon Zeiten gegeben, in denen er zu Hause geblieben ist. Entsprechend war die Covid-Pandemie eine sehr angenehme, entspannte Zeit für Lucca, wie er sagt.
"Es ist ein Problem bei vielen psychischen Erkrankungen, dass man sie von außen nicht sieht."
Inzwischen hat er eine Psychotherapie hinter sich und fährt meistens einfach trotzdem in den Urlaub. In der Regel kann er diese Zeit dann sogar genießen. In 90 Prozent der Fälle wird es besser, wenn die Reise erst mal losgegangen ist, sagt Lucca.
Im Urlaub selbst aber schätzt er wieder Planbarkeit. Ein Beispiel: Es ergibt sich die Regel, dass abends im Appartement gegessen wird. Kommt dann aus der Reisegruppe der Wunsch nach einem Abendessen auswärts, fällt Lucca es schwer, mit dieser Veränderung klarzukommen. Bei ihm dreht sich direkt wieder das Gedankenkarussell. Wo gehen wir hin? Wie lange brauchen wir? Was passiert, wenn es schon dunkel ist? Was, wenn mir übel wird?
Eine hilfreiche Ausrede
Eine ähnliche psychische Mechanik liegt hinter dem Self-Handicapping, erklärt Psychologe Malte Schwinger. Eine Ausrede wird herangezogen, um eine Erklärung zu haben, wenn etwas schiefgeht, wenn etwas nicht so gut läuft.
"Viele Menschen, die das häufiger tun, berichten darüber, dass es eine Art halbbewusste Gewohnheit ist."
Um beispielsweise bei einer Klausur nicht mitzuschreiben, suchen Betroffene eine Ausrede, die weniger mit der eigenen Person zu tun hat, wenn die Alternative wäre, Versagensängste zu benennen. So wird im Endeffekt das Selbstwertgefühl hochgehalten. Das funktioniere tatsächlich auch ganz gut, berichtet Malte Schwinger.
"Ich verschaffe mir das Handycap, um es dann als Ausrede zu verwenden. So funktioniert Self-Handicapping."
Lynn verwendet den Ausdruck Selbstsabotage recht regelmäßig, vor allem im Rückblick. Die 23-Jährige ist seit rund vier Jahren selbstständig im Bereich Social-Media-Marketing und Coaching.
Self-Handicapping im Job
Im Arbeitsalltag erlebt sie es auch heute, dass sie sich selbst sabotiert: "Bei mir ist es oft der Perfektionismus. Das muss noch ein bisschen besser werden, bevor man damit rausgehen kann." Und am Ende kommt raus: Der Auftraggeber ist zufrieden. Sie hat sich umsonst superviele Gedanken gemacht. Auch in Bezug auf Beziehungen hat sie dieses Verhalten an sich selbst beobachtet.
"Ich habe mich immer so ein bisschen selbst sabotiert, mein eigenes Glück überhaupt finden zu können."
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- Malte Schwinger, lehrt Pädagogische Psychologie an der Universität Marburg
- Lucca, steht sich manchmal selbst im Weg
- Lynn, 23, über ihre praktische Erfahrung mit Selbstsabotage