Natalie konnte durch ihre großen Brüste kaum Sport machen oder anziehen, was sie wollte – für die Verkleinerung hat sie einen Kredit aufgenommen. Vivien Schlitter bringt Frauen bei, ihre Brüste lieben zu lernen.
Einen passenden BH zu finden, war für Natalie viele Jahre ihres Lebens fast unmöglich. Sie hatte bis vor eineinhalb Jahren Körbchengröße H bis J – je nach Anbieter. In einem gewöhnlichen Bekleidungsgeschäft konnte sie nicht einkaufen. Sie musste stets im Internet suchen und meist aus dem Ausland bestellen. Im Durchschnitt kostete sie ein BH 100 Euro.
Jeden Tag Rückenschmerzen
BHs haben nicht gepasst, sie hat kaum Kleidung gefunden – der Fokus war immer auf den Brüsten, egal, was sie angezogen hat. Sie bestellte 50 Sachen und war froh, wenn eine davon passte.
Doch für die Brustverkleinerung hat sich Natalie nicht wegen des Klamottenstress, sondern vor allem wegen der starken Rückenschmerzen entschieden, die durch ihre großen Brüste verursacht wurden. Jeden Tag hatte sie mit den Schmerzen zu kämpfen, Physiotherapeuten und Orthopäden konnten ihr nicht helfen, Sport war ebenfalls kaum möglich.
Seit sie 17 Jahre alt ist, hat sie über eine OP nachgedacht. Ihre Mutter hat ebenfalls eine Brustverkleinerung vornehmen lassen. Dadurch konnte Natalie ungefähr einschätzen, auf was es ankommt und was auf sie zukommen würde.
"Die Brustverkleinerung hat meist Unverständnis bei den Leuten hervorgerufen – sowohl bei Männern als auch bei Frauen."
Es waren vor allem die hohen Kosten, weshalb eine OP für Natalie lange Zeit nicht möglich war. Zwischen 7000 und 10.000 Euro kostet eine Brustreduktion, denn in vielen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Operation nicht. Natalie musste schließlich einen Kredit aufnehmen, um sich die Operation leisten zu können.
Viele Menschen in ihrem Umfeld konnten nicht verstehen, warum sie ihre Brüste verkleinern will und dafür so viel Geld ausgibt. Das hat auch bei ihr selbst Zweifel ausgelöst.
Sie hat viel Zeit investiert, um einen Facharzt zu finden, bei dem sie sich wohlfühlt und dem sie vertraut. Die Operation und die Heilung sind gut verlaufen. Allerdings musste sie sich drei Wochen Urlaub nehmen – denn wenn die Krankenkasse die Operation nicht übernimmt, gibt es auch keine Krankschreibung für die Heilungsphase.
Heute ist sie froh, dass sie es durchgezogen hat – trotz Risiken, Hürden und Vorurteilen. Heute hat sich ein gutes Verhältnis zu ihrem Körper, kann Sport machen und sich so anziehen, wie es ihr gefällt.
Der Weg zur Brustverkleinerung
Helge Jens ist Facharzt für ästhetische und plastische Chirurgie. Zu ihm kommen viele Patientinnen wie Natalie. Er kennt die Erfahrung: Es sei völlig unklar, wann die Krankenkasse die Kosten für eine Brustreduktion übernimmt und wann nicht. Vor zwanzig Jahren wurde fast jede Brustverkleinerung genehmigt – heute sei das längst nicht mehr so.
Frauen, die über eine Brustverkleinerung nachdenken, rät er, verschiedene Gutachten einzuholen – von der oder dem Gynäkolog*in, der oder dem Hausärzt*in und der oder dem Orthiopäd*in. Diese Unterlagen werden schließlich dem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse vorgelegt, der darüber entscheidet, ob die Kosten übernommen werden oder nicht. Es ist zwar möglich Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Doch wenn diesem nicht stattgegeben wird, dann gibt es kein Recht auf eine Übernahme der Operation.
"Eine Brustvergrößerung ist einfacher zu operieren als eine Brustverkleinerung. Das spiegelt sich schon in der Eingriffsdauer: Ersteres dauert etwa eineinhalb Stunden, Zweiteres bis zu vier."
Nach der Operation gibt es eine Nachsorge, entweder im Krankenhaus, wenn die Kosten übernommen worden sind, oder aber ambulant in der jeweiligen Praxis. Die Patientin kommt dann nach wenigen Tagen zur Kontrolle und dann nach einigen Wochen. Jeder verantwortliche Chirurg gebe aber auch seine private Nummer heraus, damit die Patientin in im Notfall erreichen kann, so der Experte.
Die eigenen Brüste lieben lernen
Vivien Schlitter ist Sexualtherapeutin. Sie unterstützt Frauen dabei, ihre Brüste lieben zu lernen – vor einer Operation, nach einer Operation oder einfach so wie sie sind. Viele Frauen kommen aufgrund ihrer großen Brüste zu ihr. Sie leiden oft vor allem unter körperlichen Schmerzen – im Rücken, Nacken und in den Schultern. Die Muskulatur kann das schwere Gewicht einfach nicht halten, sagt die Expertin.
"Viele Frauen fühlen sich eingeschränkt und haben das Gefühl, sich nicht frei bewegen zu können."
Hinzu kann auch ein psychischer Schmerz kommen: Viele der Frauen fühlen sich auf ihre großen Brüste reduziert – und haben eben nicht das Gefühl, als Mensch wahrgenommen zu werden.
Dieses Gefühl kann sich zu einem Selbsthass ausreifen, der sich auf das ganze Sein auswirkt, sagt Vivien Schlitter. In ihren Workshops unterstützt sie die Frauen dabei, ihre Brüste zu akzeptieren und nicht mehr zu verstecken.
Wie wir unseren Körper ein bisschen mehr lieben lernen können, hört ihr in der Ab 21.
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