Die Vereinigung "Scientists for Future" möchte sich nicht in Parteipolitik einmischen, dafür aber die Öffentlichkeit gezielt über relevante Forschungsergebnisse informieren und damit auch Einfluss auf gesellschaftliche Debatten nehmen.
Die Ergebnisse der Umfrage "Wissenschaft im Dialog" werden jährlich unter dem Titel "Wissenschaftsbarometer" veröffentlicht. An diesem Bericht, der seit fünf Jahren veröffentlicht wird, lässt sich ablesen, wie unsere Einstellungen zu Wissenschaft und Forschenden sind. Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2019 haben wir in unserer Sendung Update ausführlich vorgestellt.
Zum ersten Mal in diesem Jahr wurde abgefragt, wie die Befragten dazu stehen, dass Wissenschaftler sich öffentlich engagieren und zu politischen Entscheidungen äußern. Das Wissenschaftsbarometer 2019 lieferte eindeutige Resultate dazu:
- Drei Viertel der Befragten stimmen zu, dass sich Wissenschaftlerinnen öffentlich äußern sollen, wenn politische Entscheidungen Forschungsergebnisse nicht berücksichtigen.
- mehr als die Hälfte findet, dass politische Entscheidungen wissenschaftsbasiert sein sollen
- 50 Prozent sagen, dass es auch die Aufgabe von Wissenschaftlern ist, sich in die Politik einzumischen
"Ich denke, wir sind bestätigt in unseren Aktionen."
"Wir sehen uns nicht als Einmischung in Parteipolitik, wir sehen uns als Einmischung in gesellschaftliche Diskurse. Das ist ein ganz großer Unterschied, in welche Politik man sich einmischt."
Gregor Hagedorn arbeitet als Naturwissenschaftler und ist der Initiator von "Scientists for Future", dem Zusammenschluss der Forschenden, die sich mit ihrer Stellungnahme vom 12. März 2019 hinter die demonstrierenden Schülerinnen von "Fridays for Future" gestellt haben und auf ihrer Website 24 Fakten über den Klimawandel veröffentlicht haben.
Schon die Frage, was erforscht wird, ist politisch
Wissenschaftliche Institutionen und Forschende treffen viele Entscheidungen, die gesellschaftlich relevant sein können, sagt Gregor Hagedorn. Für den Naturwissenschaftler fängt es schon mit der Frage an, welchen Gegenstand ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin erforschen möchte. Zum einen sei das strukturell bedingt, das heißt, Wissenschaftler erforschen die Fragen, für die sie Forschungsgelder finden können.
Wissenschaftliche Entscheidungen nicht von der Gesellschaft losgelöst sehen
Gregor Hagedorn sagt aber auch, dass in Deutschland die Freiheit herrscht, als Wissenschaftler selbst festzulegen, was wir zum Gegenstand unserer Forschung machen wollen. Diese Entscheidung als etwas völlig Neutrales, von der Gesellschaft Losgelöstes zu betrachten, findet der Naturwissenschaftler unrealistisch. Er sagt, dass der Wissenschaftler immer zwischen verschiedenen Fragen abwägt: Was ihn persönlich interessiert, wo er durch Forschung etwas verändern kann, wo es notwendig ist, etwas zu tun, wo er motiviert ist, weil er zum Beispiel mit einer wissenschaftlichen Untersuchung anderen Menschen helfen kann.
"Wir stellen fest, dass Dinge die seit über 30 Jahren bekannt sind, in der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden. Das sind zum Beispiel Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen."
Die Initiative "Scientists for Future" wird von mehr als 26.800 Forschenden unterstützt, die das mit ihrer Unterschrift bestätigt und es somit auch öffentlich gemacht haben. Gregor Hagedorn sagt, dass es für den einzelnen Wissenschaftler einfacher ist, sich als Unterstützer der Initiative zu positionieren.
Für wissenschaftliche Institutionen sei das schwieriger, weil die Einrichtungen zum einen Sorge haben, dass sie ihrem Ansehen schaden könnten, sagt Gregor Hagedorn. Zum anderen würden Institutionen auch neutraler handeln, indem sie weniger aktiv kommunizieren und stattdessen eher Raum für engagierte Wissenschaftskommunikation bieten, sagt der Naturwissenschaftler.
"Wir hatten dann die Entscheidung zu treffen, wie deutlich und wie laut wir bestimmte Informationen eigentlich nur wiederholen. Wir hatten das Gefühl, dass es unsere gesellschaftliche Verantwortung ist, dies sehr deutlich und sehr laut zu und letztendlich mit über 26.800 Unterschriften von Wissenschaftler*innen zu machen."