In Deutschland gibt es einen "ungebremst wachsenden Wolfsbestand", sagt der Deutsche Bauernverband – und fordert, dass Wölfe schneller abgeschossen werden dürfen. Die Wildtiere sind aber gesetzlich geschützt. Wie am besten umgehen mit dem Wolf?

Die Zahl gerissener Schafe oder auch Pferde steigt. Das wurde beim "Wolfsgipfel" in Berlin deutlich, zu dem der Deutsche Bauernverband (DBV) eingeladen hatte. Er geht davon aus, dass es aktuell mehr als 2000 wildlebende Wölfen in Deutschland gibt. Tendenz steigend. Um Landwirte und Tierbesitzer zu schützen, wünscht sich der Interessensverband unbürokratische Lösungen im Umgang mit sogenannten Problemwölfen.

Bayern gibt bestimmte Wölfe zum Abschuss frei

In Bayern hat die Landesregierung in Form von Ministerpräsident Söder bereits reagiert: Bereits wenn sie ein einziges Nutztier getötet haben, sind Wölfe seit 1. Mai 2023 zum Abschuss freigegeben. Auch ein DNA-Gutachten ist nicht mehr nötig, es kann also auch ein anderer Wolf entnommen werden, wie es offiziell heißt.

Dabei stehen die Wölfe in Deutschland und der EU per Gesetz unter Schutz: Durch die Berner Konvention gelten sie als "besonders geschützte Art".

"Ich halte es für etwas übertrieben, dass wenn ein Wolf ein Nutztier gerissen hat, dass er dann sogleich zum Abschuss freigegeben wird."
Frank Faß, Leiter des Wolfcenters in Dörverden in Niedersachsen

Die bayerische Maßnahme hält Frank Faß, Leiter des Wolfcenters in Dörverden in Niedersachsen, für übertrieben. Das sei auch Wahlkampf. Er sei sehr gespannt, ob es in Bayern jetzt bald – nach dem ersten Abschuss eines Wolfes – "Klagen hageln" werde. Bisher hatten die Behörden nur in Ausnahmefällen Abschussgenehmigungen erteilt. Etwa dann, wenn von dem Wolf eine Gefahr für Menschen ausgeht.

Zäune und Herdenschutzhunde

Die größten Flächenanteile in Deutschland seien flach und hügelig. Dort sei es das oberste Gebot, die Nutztiere auf der Weide durch entsprechende Zäune zu schützen. Zudem hätten Schäfer in Ergänzung dazu ab und zu auch noch Herdenschutzhunde im Einsatz.

Sollte ein Wolf – was nur in seltenen Fällen passiere – gelernt haben, wie er über einen Zaun springt, und wenn er das in einem räumlich und zeitlich eng begrenzten Umfeld häufiger mache und Schafe reiße, dann solle ein solcher Wolf tatsächlich auch getötet werden dürfen, schlägt Frank Faß vor.

"Es gibt Herausforderungen und noch zu lösende Aufgaben. Aber es ist eben auch wiederum nicht so, dass gar nichts funktioniert."
Frank Faß, Leiter des Wolfcenters in Dörverden in Niedersachsen

Viele Bundesländer gewähren den Landwirten finanzielle Mittel zur Anschaffung von Zäunen und Hunden. Natürlich könne man diese Möglichkeiten weiter verbessern und erleichtern – aber es sei eben nicht so, dass die Nutztierhalter allen Problemen völlig alleine gegenüberstehen.

In Gebirgsregionen würden Herdenschutzmaßnahmen wie etwa Zäune angeblich weniger gut funktionieren, werde oft als Argument für eine höhere Abschussquote von Wölfen herangezogen. Der hochalpine Raum sei schwerer erreichbar, man könne dort keine Nachtpferche für die Herdentiere bauen und wegen wandernder Touristen seien Herdenschutzhunde schwerer einsetzbar. In der Schweiz, wo es sehr viele Gebirgsregionen gibt, sei aber trotzdem ein vernünftiger Umgang mit den Wildtieren gelungen, sagt Frank Faß.

Der Wolf und der Mensch

In vielen Märchen kommt der Wolf gar nicht gut weg. Auch deshalb haben viele Menschen eine (unbewusste oder bewusste) Angst, im Wald vielleicht mal einem zu begegnen. Statistisch gesehen ist diese Angst aber unbegründet. Bereits die Wahrscheinlichkeit, auf einen Wolf zu treffen, ist äußerst gering. Dass er einen dann auch noch angreift, ist noch unwahrscheinlicher. Frank Faß nennt verschiedene Argumente:

  • Manchmal werden Wölfe auch am helllichten Tag gesichtet – allermeistens sind sie aber in der Dämmerung und nachts aktiv.
  • In der gesamten Republik ist bisher kein einziger Mensch von Wölfen angegriffen worden.
  • Im Jahr 2000 wurde das allererste Wolfsrudel im Bundesland Sachsen festgestellt. Die Sachsen leben also seit mittlerweile 23 Jahren mit wildlebenden Wölfen zusammen.
  • Bund und Länder betonen: Die Sicherheit der Menschen steht an erster Stelle. Würde ein Wolf für Menschen gefährlich werden, dürfte dieses Tier – obwohl so streng geschützt – höchstwahrscheinlich auch getötet werden.
Shownotes
Wildtiere in Deutschland
Schützen, vertreiben, abschießen – Debatte um den Wolf
vom 02. Mai 2023
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Frank Faß, Leiter des Wolfcenters in Dörverden (Niedersachsen)