Michelle hat einige Monate bei einem Network Marketing mitgemacht. Verbraucherschützer Maximilian Heitkämper erklärt, wie das System funktioniert. Und Wirtschaftspsychologe Georg Felsner weiß, warum es uns anzieht.
Michelle ist 18 Jahre alt und steckt gerade mitten im Abitur. Neben der Schule kellnert sie, um Geld zu verdienen. In dieser Situation schreibt ein Bekannter ihr auf Instagram und fragt, ob sie nicht Interesse hätte, sich mal mit ihm zu treffen. "Der hatte irgendwie was Cooles, Neues entdeckt. Und er glaubte, ich bin da sehr gut geeignet dafür", erzählt Michelle heute.
"Ich habe mir davon natürlich Geld erhofft."
Bei dem Produkt ging es um eine Online-Plattform, um Forex-Trading zu lernen. "Forex-Trading ist so eine bestimmte Form von Day-Trading. Ich weiß ehrlich gesagt bis heute nicht hundert Prozent, was das ist, weil offensichtlich das Produkt nicht so gut war", sagt Michelle. Aber damals wurde sie dann ins Team aufgenommen und ihre Aufgabe war es, mehr Leute anzuwerben.
Das Versprechen, schnell viel Geld zu verdienen
Vorher nimmt sie noch an einem Founder Summit teil, auf dem berichtet wird, wie viel Geld man mit dem System machen kann. Michelle ist beeindruckt und beginnt anderen Menschen anzuschreiben und Calls auszumachen, in denen sie von dem Produkt überzeugt werden sollen. Auch bei Familie und Freunden versucht sie es: "Aber die waren Gottseidank alle sehr klar dagegen und hatten überhaupt gar kein Interesse daran."
Nach ein paar Monaten fragt sie dann etwas genauer nach: Michelle hätte gerne Infos darüber, wie viel man denn eigentlich verdienen kann. Und fragt nach Belegen für den Erfolg. "Und keiner hatte irgendetwas. Keiner wollte irgendetwas zeigen oder konnte irgendetwas zeigen. Und das hat mich dann sehr zum Zweifeln gebracht. Gottseidank", sagt sie heute, denn das war dann auch der Punkt, an dem sie selber wieder ausgestiegen ist.
Seriöse und unseriöse Verkaufsmodelle
Maximilian Heitkämper ist Jurist und leitet bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz den Bereich digitales und Verbraucherrecht. Er sagt, dass es diese Art von Geschäftsmodell schon sehr lange gibt. Es gebe zwar auch seriöse Ansätze, die man zum Netzwerk Marketing zählen kann, zum Beispiel die Firma Vorwerk, die Staubsauger oder den Thermomix über so ein System verkaufen. Auch Tupperware ist durch Network Marketing groß geworden.
Bei den anderen, weniger seriösen Anbietern erkenne man aber oft eine Masche.
"Das wird gern damit beworben, dass man mit relativ wenig Aufwand von der Couch Geld verdienen kann. Dafür müsse man sich quasi als Dienstleister an einem wie auch immer gearteten Geschäftsmodell beteiligen."
Die Verkaufsmasche beginne immer mit dem Versprechen, dass man sehr einfach – quasi von Zuhause aus – viel Geld verdienen könne. "Das sind dann häufig Beratungsmodelle oder eben auch Modelle, wo im Zweifelsfall kleine Minijobs umgesetzt werden müssen. Das ist austauschbar", erklärt Maximilian Heitkämper.
Niedrige Hürde beim Einstieg
Zunächst gebe es keine Hürde, um einzusteigen und Geld zu investieren. Danach folge dann das Modell einer Aufstiegsleiter. Das Versprechen: Je höhere Stufen man auf dieser Leiter erklimmt, desto mehr Gewinn steht in Aussicht. Das soll motivieren, sich voll ins Zeug zu schmeißen.
Übrigens: Wenn es dabei um Investitionen geht und eine Rendite versprochen wird, die es nie gibt, dann gilt das Ganze als Betrug und ist auch strafrechtlich relevant.
"Je stärker sich der eigene Ertrag, den man vom Anwerben neuer Mitglieder hat, verschiebt zu Ungunsten der Erträge, die man durch das Produkt bekommt – also je größer diese Rolle des Anwerbens ist – desto unseriöser ist es."
Georg Felser ist Wirtschaftspsychologe. Er weiß, welche Fragen man stellen muss, um festzustellen, ob ein Network Marketing seriös ist oder eher nicht. Wir sollten auf folgende Punkte achten:
- Kann man ohne großen Aufwand mitmachen?
- Sind die Produkte und Bedingungen in dem Netzwerk für alle gleich teuer?
- Kaufen Leute, die nicht Teil des Netzwerks sind, das Produkt?
- Gibt es eine Kundenbetreuung?
- Wird klar kommuniziert, welcher Nutzen zu erwarten und was ein realistischer Verdienst ist?
Außerdem sagt Georg Felser: "Je größer die Rolle des Anwerbens ist, desto unseriöser ist es."
Netzwerk mit Freunden und Bekannten – macht den Ausstieg schwer
Besonders verzwickt ist das Network Marketing manchmal auch deswegen, weil es dabei ja darum geht, möglichst viele potenzielle Kund*innen zu akquirieren. Man wird dann oft über Bekannte angesprochen. Und es ist natürlich auch am leichtesten, dann wiederum eigene Freunde, Verwandte und Bekannte anzusprechen. Die Hürde des Ansprechens ist also leicht – auf der anderen Seite kann es das aber auch besonders schwer machen, aus der Nummer wieder herauszukommen.
Ganz wichtig ist deshalb, rät Georg Felser, "dass Sie das alles nicht mehr als eine Art betrachten, Freundschaft zu pflegen, sondern dass Sie das einfach als Business sehen." Einfacher gesagt als getan, denn: "Sie müssen das umdeuten, was natürlich bei engen Freunden sehr schwierig werden kann."
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