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Fast jede Nacht wird die Ukraine mit Drohnen und Raketen beschossen. Viele werden abgewehrt, doch es gibt Verletzte und Tote. Alle Menschen trifft: Seit Kriegsbeginn können sie kaum schlafen. Das kostet Kraft, so die Journalistin Anna Kostjutschenko.

Schon seit über 1000 Tagen herrscht Krieg in der Ukraine. Besonders häufig greift Russland nachts an. Die ukrainische Journalistin Anna Kostjutschenko weiß deshalb, wie es sich anfühlt, in einem U-Bahnschacht zu übernachten. Bei Luftalarm ist sie schon mehrmals schnell dorthin geflüchtet.

Jetzt in der kalten Jahreszeit schläft sie lieber in ihrem Flur, wenn der Alarm kommt. Dort schützt sie sich nach der Zwei-Wand-Regel: "Die erste Wand wird wahrscheinlich durch den Angriff zerstört, während die zweite Wand Trümmer abfängt."

Die ukrainische Journalistin Anna Kostjutschenko im Kriegsgebiet.
© Anna Kostjutschenko
Anna Kostjutschenko arbeitet als Journalistin.

Dort liegen eine Isomatte und ein Schlafsack. Anna ist also immer vorbereitet. So eine Situation beeinflusst den Schlaf, auch wenn nachts kein Angriff kommt. Schlafforscherin Dr. Christine Blume von der Uni Basel sagt: Das reicht aus, um den Schlaf zu verändern. "Studien zeigen, dass Menschen in solchen Nächten öfter aufwachen und auch insgesamt mehr wach im Bett liegen."

Annas Nächte sind deshalb seit dem russischen Angriffskrieg kurz. Sie könne meist nur drei bis vier Stunden schlafen.

"Wenn der Angriff die ganze Nacht dauert, versuche ich während des Tages 20 Minuten zu dösen und nach dem Aufwachen einen starken Kaffee zu trinken."
Anna Kostjutschenko, Journalistin aus Kiew

Dieser systematische Schlafentzug hat Folgen für die Menschen in der Ukraine, erklärt Christine Blume: Durch eine so lange Zeit ohne ausreichend Schlaf kann man anfälliger für Infekte werden. "Langfristig steigt auch das Risiko für andere Erkrankungen wie zum Beispiel Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen oder Bluthochdruck."

Und auch auf die Psyche wirkt sich der Schlafmangel aus. So werden Menschen wortwörtlich kriegsmüde gemacht: "Wir sind weniger hilfsbereit, weniger altruistisch, weniger empathisch, und das kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt angreifen", erklärt die Schlafforscherin.

"Zum Beispiel wird die Kommunikation zwischen Menschen negativer gefärbt, anderen wird schneller die Schuld an Problemen gegeben. Man kann unausgeschlafen auch weniger gut Konflikte lösen."
Dr. Christine Blume, Schlafforscherin an der Uni Basel

Doch Anna will durchhalten. Sie hat Hoffnung, dass sich die Situation verbessert. "Wir können uns nur so gut es geht stärken und unser Leben weitermachen." Es sei eine Entscheidung der Ukraine und der Soldaten, wann "Verhandlungen mit dem Feind" aufgenommen werden.

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Shownotes
Schlaflos in Kiew
Schlafentzug als Kriegswaffe
vom 17. Dezember 2024
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Anna Kostjutschenko, Journalistin aus Kiew
Gesprächspartnerin: 
Dr. Christine Blume, Schlafforscherin, Universität Basel