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Beim Scamming werden Menschen getäuscht, um etwa an ihr Geld zu kommen. Auch Nils ist das passiert und daraufhin in eine Krise gestürzt. Kriminalpsychologin Lydia Benecke erklärt, warum Menschen auf Scammer hereinfallen und wie wir uns davor schützen können.

Nils wurde gescammt. Er hat über einen gemeinsamen Freund einen Mann kennengelernt, der sich als Marvin Bohlen ausgegeben hat – ein eher unbekannter Sohn von Musikproduzent Dieter Bohlen. Nils dachte lange, er hätte eine Beziehung mit diesem Mann. Auch, wenn es nicht gerade Liebe auf den ersten Blick war, sagt Nils, "vom Aussehen war er eigentlich überhaupt nicht mein Typ. Aber er hat mir in Gesprächen sehr schnell das Gefühl gegeben, verstanden zu werden." Nils sagt, dass er sich bei diesem Menschen auf einer emotionalen Ebene so wohlgefühlt hat, dass er vom Betrug zunächst nichts mitbekommen hat.

Von angeblichem Sohn von Dieter Bohlen abgezockt

Nils sagt, dass sich da eine Vertrauensbasis entwickelt hat. Eine gewisse Naivität seinerseits hat aber auch eine Rolle gespielt. Gleichzeitig hat "Marvin" ein beachtliches Lügengerüst konstruiert und ist dabei sehr glaubwürdig rübergekommen. Deshalb hat Nils die Geschichten, die ihm erzählt wurden, auch nicht wirklich hinterfragt.

"Er konnte alles immer irgendwie erklären. An gewissen Punkten hat er gesagt, da darf er nicht drüber reden. Das möchte sein Vater nicht. Sonst wäre das Risiko zu hoch, dass irgendwas in der Presse landet."
Nils, wurde gescamt

Das Ganze ging soweit, dass "Marvin" zum Beispiel Karten für DSDS besorgt hat, die normalerweise sehr teuer und nicht leicht zu bekommen sind – also weit vorne, direkt hinter der Jury, in der auch Dieter Bohlen saß. Nach der Show sei "Marvin" dann Backstage verschwunden, kam irgendwann zurück und meinte, sein "Vater" hätte jetzt keine Zeit.

Die erste Person in Nils' Umfeld, die misstrauisch geworden ist, war sein kleiner Bruder. Irgendwann hat "Marvin" nämlich vorgeschlagen, Urlaub zu machen. "Die Story hatte er immer weiter so ausgebaut und hat dann über die vermeintliche Berühmtheit eine Masche abgezogen, dass er über seinen Vater Leute hätte, die zum Beispiel Reisen organisieren – super günstig, aber trotzdem luxuriös", erzählt Nils. So hat er dann auch Geld von Nils' Freunden und Familie gesammelt, die mitfahren wollten. Mehrere tausend Euro sind zusammengekommen. Diese Reisen haben aber nie stattgefunden.

"Ich habe mich auch einfach missbraucht gefühlt, weil ich dreieinhalb, vier Monate meines Lebens mit einer Person geteilt habe, die so faktisch gar nicht existiert. Die mich quasi gelinkt und ausgenutzt hat wie eine kleine Puppe."
Nils, wurde gescamt

Irgendwann wurden bei Nils die Zweifel aber doch immer größer. Er hat dann mithilfe von Freundinnen und Freunden nachgeforscht. Und die haben ihm auch geholfen, dass er "Marvin" vor die Tür setzen konnte. Am Ende kam dann raus: Marvin ist in Wirklichkeit Daniel S. – mehrfach vorbestraft wegen Betrugs und in den 90ern auch wegen Vergewaltigung. Bei Nils hat diese Scam-Erfahrung Spuren hinterlassen und er musste in eine Reha.

"Dieses Gefühl, ausgenutzt worden zu sein, ohne es überhaupt mitgekriegt zu haben, das war glaube ich der größte Knackpunkt für mich selber."
Nils, wurde gescamt

Warum können Menschen andere täuschen?

Wer solche Geschichten wie die von Nils hört, denkt sich im ersten Moment vielleicht: 'Also mir wäre das nicht passiert.' Kriminalpsychologin Lydia Benecke sagt allerdings: "Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man selbst so schlau und so lebenserfahren wäre, dass man hundertprozentig sein kann, dass das nicht passiert."

"Jeder Menschen kann auf unterschiedlichen Ebenen manipuliert werden."
Lydia Benecke, Kriminalpsychologin 

Der Kriminalpsychologin zufolge werden die meisten Menschen auf emotionaler Ebene manipuliert. "Wenn Emotionen sehr stark manipuliert werden, kann das dazu führen, dass die Person nicht mehr so rational denkt und urteilt, wie man das als Person von außen glaubt, dass man das machen würde."

Eine Möglichkeit sei, einer Person vorzuspielen, man sei verliebt in sie. Sowas passiert häufig online und ist unter dem Begriff Love-Scamming bekannt. Dabei wenden manipulative Personen oft das sogenannte Lovebombing an, erklärt die Kriminalpsychologin: "Das ist eine Strategie, bei der man das Gegenüber ganz stark aufwertet und mit ganz viel Aufmerksamkeit und Zuwendung überschüttet. Der Punkt ist, dass Menschen das prinzipiell angenehm finden und empfänglich dafür sind." Und in solchen Momenten sei das kritische Denken weniger aktiv, gleichzeitig entwickele sich Vertrauen zu dieser Person.

Ist das Vertrauen gewonnen, kommt die Forderung

Sobald manipulative Personen ihr Gegenüber für sich gewonnen haben, kommt meist die Forderung, sagt Lydia Benecke. Häufig sei diese Forderung dann beispielsweise an eine Notsituation geknüpft, aus der sie ohne die Hilfe der anderen Person nicht rauskommen. "Der Punkt ist halt, dass du dann nicht rational darüber nachdenkst, ob das jetzt realistisch ist oder plausibel."

"Du wirst emotional total unter Druck gesetzt und möchtest der Person, die dir wichtig ist, helfen."
Lydia Benecke, Kriminalpsychologin 

Eine andere Strategie sei "Hochstapelei", so die Kriminalpsychologin. Dabei versucht die manipulative Person andere davon zu überzeugen, dass sie Fähigkeiten besitzt, die sie gar nicht hat. "Und sich dementsprechend auch in ihrem Status besser darstellt, als sie ist. Vielleicht auch, dass sie sehr vermögend ist oder bestimmte Beziehungen hat."

Auch KI-Scams immer größeres Problem

Betrügereien sind aber manchmal gar nicht so einfach zu erkennen – vor allem, wenn sie im Netz stattfinden. Noch schwieriger wird das Ganze durch den Einsatz von KI, sagt Hans-Joachim Hentschel, Kriminalhauptkommissar beim LKA Niedersachsen, in der Prävention, Cyber Crime und Betrug. "Ich kann Videos oder Sprachnachrichten vorgaukeln, sodass ich da andere Personen darstelle. Oder dass ich nicht unbedingt erkenne, dass ich mit einer echten Person rede oder nur mit einer verfälschten", sagt er.

Wichtig: Gesundes Maß an Misstrauen

Aber wie können wir uns schützen? Lydia Benecke ist der Meinung, es sei der falsche Weg, nur misstrauisch durchs Leben zu gehen und bei allen Menschen vom Schlimmsten auszugehen. Sie sagt aber auch, dass es ein gesundes Mittelmaß gibt. Wichtig sei zum Beispiel, das Wissen darüber, dass es diese Manipulationsstrategien gibt und dass manche Menschen sie benutzen, um zum Beispiel andere finanziell auszubeuten. Und allein das kann helfen, weil man dann vielleicht in ähnlichen Situationen hellhörig wird.

Personen, die schon mal auf andere reingefallen sind, sollten sich auch nicht dafür schämen, erklärt die Kriminalpsychologin. Leider verspüren Betroffene aber oft dieses Schamgefühl und dann kann es wiederum dazu kommen, dass Straftaten nicht angezeigt werden.

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Shownotes
Scam
Warum lassen wir uns gerne manipulieren?
vom 15. November 2024
Gesprächspartner: 
Nils, wurde gescamt
Gesprächspartnerin: 
Lydia Benecke, Kriminalpsychologin 
Gesprächspartner: 
Hans-Joachim Hentschel, Kriminalhauptkommissar LKA Niedersachsen Prävention, Cyber Crime und Betrug
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Utz Dräger, Sarah Brendel, Friederike Seeger
Produktion: 
Philipp Adelmann, Jan Fraune