Immer mehr Spitzenfußballer wechseln für hohe Geldsummen in den Ölstaat Saudi-Arabien. Den Sport nutzt Kronprinz Mohammed bin Salman als Strategie, um die Wirtschaft des Staats zu transformieren. Vorläufiger Höhepunkt könnte die Fußball-WM 2030 sein. Der Sport dient dazu, die Bevölkerung bei Laune zu halten – und von Menschenrechtsverletzungen abzulenken.
Im Finale der Fifa Club-WM (22.12., 19h) treffen die Fußballteams Manchester City und Fluminense Rio de Janeiro aufeinander. Das Spiel findet im saudi-arabischen Stadion King Abdullah Sports City Stadium, das in der Provinz Mekka liegt. Als Sportnation ist der Staat bisher kaum in Erscheinung getreten. Saudi-Arabien ist vielmehr als einer der weltweit größten Ölexporteure bekannt. Das Land will sich aber weitere Wirtschaftszweige erschließen und investiert jede Menge Geld, vor allem in den Tourismus – und den Sport.
"Die Vision 2030 ist der große Plan, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation des Landes voranzutreiben. Das heißt: Die Wirtschaft soll weg vom Öl hin zum Tourismus. Bin Salman hat dafür gesorgt, dass Frauen mehr Rechte haben."
Die absolutistisch regierte Monarchie um Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman hat einen Plan: Im Jahr 2030 soll die Fußball-Weltmeisterschaft dort stattfinden – in einem Land, dessen Bedrohung durch terroristische Anschläge das Auswärtige Amt weiterhin als hoch einstuft.
Mit Sport der Bevölkerung etwas bieten
Sport ist für die Ziele des Monarchen, der – darauf deuten alle Indizien hin – 2018 den saudischen Journalist Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat Saudi-Arabiens ermorden ließ, ein wichtiges Werkzeug, das er strategisch nutzt: Um Gäste anzulocken und der Bevölkerung etwas zu bieten, veranstaltet der auf der arabischen Halbinsel gelegene Staat internationale Sportevents wie etwa die Fifa Club-WM.
"Es gibt in Saudi-Arabien auch eine Frauen-Fußballliga mit sehr guten äußeren Bedingungen. Das ist ein Zeichen, dass sich die Zustände in dem Land wandeln."
Sportreporter Maximilian Rieger hat in dem Land recherchiert und festgestellt, dass es ein "wirklich fußballbegeistertes Land" ist. Bei mehreren Spielen habe er Bürger*innen gefragt, was ihnen der Fußball bedeute und ganz oft sei die Antwort gewesen: "Alles."
Repressiver Herrscher oder Öffner des Landes?
Während Bewohner*innen der westlichen Welt Kronprinz Mohammed bin Salman als repressiven Herrscher wahrnehmen, der den Überwachungsstaat ausgebaut hat, sind viele junge Saudis ziemlich begeistert von ihm, sagt Maximilian Rieger. Sie sähen ihn als jemanden, der ihnen Freiheiten ermöglicht, die sie seit Jahren nicht mehr hatten. Das liegt daran, dass es in Saudi-Arabien ein starkes religiöses Korsett gab – und gibt: Noch immer ist der Islam dort äußerst wichtig.
"Es gibt keine Religionspolizei mehr in Saudi-Arabien. Das schätzen viele junge Menschen – auch, wenn die Freiheit natürlich enge Grenzen hat. Aktivistinnen, die sich dafür einsetzten, dass Frauen Autofahren dürfen, wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt."
Weil sich die Aktivistinnen gegen Kronprinz Mohammed bin Salman stellten, wurden ihnen Menschenrechte wie etwa die Reisefreiheit aberkannt. Stimmen, die sich gegen bin Salman stellen, werden unterdrückt, erklärt Maximilian Rieger. Der Sport sei ein Mittel nach dem Prinzip "Brot und Spiele", um dem eigenen Land etwas zu bieten – und um nach außen hin von diesen Menschenrechtsverletzungen abzulenken, so der Sportreporter.
Was die mögliche Ausrichtung eines Fifa-Großturniers in Saudi-Arabien angeht, sieht Maximilian Rieger einen Unterschied zur WM 2022 in Katar. Denn "die Fußballbegeisterung ist in Saudi-Arabien – anders als in Katar – vorhanden", sagt er.
Auf absehbare Zeit keine Demokratie
Dennoch sieht der Sportreporter die mögliche Vergabe einer Weltmeisterschaft nach Saudi-Arabien kritisch. Das liegt unter anderem daran, dass es dort – wie in Katar – viele Gastarbeiter gibt. Ein möglicher Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2030 wäre demnach eine "Farce", sagt er.
"Nach der Fifa-Menschenrechtspolicy dürfte Saudi-Arabien eigentlich keine WM bekommen. Zwar kündigte die Fifa an, bei der Vergabe auf die Menschenrechtslage zu gucken, aber es gibt ja nur einen Bewerber. Es fehlt also der Hebel, da etwas bewirken zu können."
"Ein paar grundsätzliche Punkte muss ein Land schon erfüllen", damit eine WM dort stattfinden kann, sagt Maximilian Rieger. Dadurch allerdings, dass die Fifa die WM 2030 praktisch schon nach Saudi-Arabien vergeben habe, können sie kaum einen Hebel nutzen.
Info: Unser Bild oben zeigt den brasilianischen Superstar Neymar bei seiner Ankunft am Flughafen in Riad, Saudi-Arabien, am 18. August 2023. Der Spieler wechselte in diesem Jahr von Paris Saint-Germain zum saudischen Club Al-Hilal.