Lena fällt es schwer, sich zu entscheiden: Deswegen fragt sie oft ihre Freunde um Rat. Tilmann Betsch ist Sozialpsychologe an der Uni Erfurt. Er sagt: Wir sind im Entscheiden oft besser, als wir denken.
Sie hat sich endlich entschieden: Von Tokio aus wird sie auf die Philippinen fliegen. Ganz allgemein findet Lena aber, dass ihr Entscheidungen schwer fallen. Sie grübelt und wägt ab, informiert sich und fragt Freunde – eher nicht die eigene Familie. Diese Reise auf die Philippinen wird dann ihr Auslandssemester in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul beenden. "Allein schon die Essensentscheidungen täglich hier sind Wahnsinn", sagt Lena.
"Ich denke viel, viel mehr über solche Dinge nach, als die meisten Menschen."
Vor dem Auslandsstudium hat sie sehr viele Leute um ihre Meinung gefragt. Zwingend erforderlich ist der Aufenthalt im Ausland für ihr Fach Business Administration nicht.
Hilfreiche Routinen
Auch bei kleineren Sachen fallen Lena Entscheidungen gelegentlich schwer. Das kann schon beim Einkaufen im Supermarkt losgehen. Brot oder Brötchen? Nicht immer geht es schnell. "Ich kaufe dann wirklich oft das Gleiche", sagt sie.
"Dann finde ich manchmal irgendwelche Argumente, um diese Entscheidung vielleicht noch mal zu überdenken."
Lena behilft sich also mit Routinen und Gewohnheiten. Die helfen ihr bei der nächsten größeren Herausforderung allerdings nicht weiter: Die Kurswahl an ihrer Universität in Seoul steht an. Und dort müssen Studierende um die Kurse kämpfen, sagt sie.
Situationen ohne Blaupause
Für manche Entscheidungen gibt es keine Vorlagen, keine Muster, auf die wir zurückgreifen können, erklärt Tilmann Betsch. Er lehrt Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Erfurt. Ein Schulabschluss zum Beispiel ist für ihn ein kritisches Lebensereignis, eine neue, unbekannte Situation, die eine Entscheidung erfordert.
"In solchen Situationen ist es natürlich, wenn ich erst mal nicht weiß, was ich tun kann."
Überlasse jemand Entscheidungen grundsätzlich anderen, deute das eher auf eine Ungleichheit in der sozialen Beziehung hin, meint Tilmann Betsch. Wenn also jemand während einer Radtour beispielsweise kein einziges Mal die Richtung bestimmen möchte, sei das nicht unbedingt als Entscheidungsschwäche zu deuten.
Heute entscheiden wir mehr selbst als früher
Er weist außerdem darauf hin, dass die Zahl der Entscheidungsmöglichkeiten nachweislich zugenommen hat. Bei der Wahl der Partnerin oder des Partners, bei der Berufswahl und so weiter. Damit habe sich auch die Wahrscheinlichkeit verringert, die beste Entscheidung zu treffen.
"In dem Moment, wo ich drei Alternativen habe, ist die Chance, dass ich die beste verfehle, nicht so groß wie wenn ich 300 habe."
Für ihn bestehen zwischen individualisierten und kollektivistischen Kulturen erhebliche Unterschiede, was Entscheidungsroutinen angeht. Ein Beispiel: Während es in Indien viele Jugendlichen gebe, die die Wahl ihres Partners oder ihrer Partnerin den eigenen Eltern überlassen, wäre dies bei uns wahrscheinlich undenkbar.
"Ich würde nicht sagen wollen, was das Bessere ist. Auf alle Fälle sind die äußeren Umstände mit dafür verantwortlich, wie leicht wir es mit Entscheidungen haben."
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