Mitarbeitende in den Schlachthöfen müssen täglich Tiere töten, ohne sich dabei von Emotionen wie Mitleid, Schuldgefühl oder Bedauern beeinflussen zu lassen. Doch wie gelingt ihnen das? Das hat jetzt eine Studie untersucht.
Für viele von uns ist Fleisch einfach nur ein abgepacktes Produkt im Kühlregal vom Supermarkt. Dass irgendjemand dafür sorgen muss, dass aus dem Tier das Fleisch oder Wurst wird, ist dabei meist nicht präsent. Eine Studie der TU-Dortmund hat jetzt untersucht, wie es den Menschen ergeht, die über Jahre und Jahrzehnte den ganzen Tag über töten und anschließend die Leichenteile zerlegen.
Dafür befragte der Soziologe Marcel Sebastian 13 Mitarbeiter in deutschen Schlachthöfen zu ihren Emotionen beim Töten von Tieren. Alle Befragten waren Männer und hatten Schlachter gelernt, also beispielsweise eine Ausbildung zum Fleischer gemacht.
Emotionale Distanz als Grundvoraussetzung für den Schlachterberuf
Die Befragten gaben zunächst einhellig an, dass die Arbeit nichts mit ihnen mache und emotional als neutral zu bewerten sei, sagt Sebastian. "Im Gesprächsverlauf wurde aber deutlich, dass ganz viel Arbeit unterhalb dieser bewussten Oberfläche passiert", so der Soziologe. "Es kann also immer wieder passieren, dass die Mitarbeiter in bestimmten Situationen, etwa beim Schlachten von Jungtieren, Emotionsarbeit nach vorne holen und bewusst werden lassen." Der Forscher nennt das "disruptive Emotionen".
Das heißt: In erster Linie arbeiten die Menschen in Schlachthöfen mit einer professionellen Neutralität. Da gibt es keine unterdrückten Schuldgefühle, sondern eine emotionale Distanz zur täglichen Arbeit. "Das ist zum Beispiel, dass gesagt wird, man darf keine Beziehungen zu den einzelnen Tieren aufbauen", so Sebastian. "Meine Interviewpartner nannten das eine ganz wichtige Qualifikation für den Beruf."
Den Schalter im Kopf umlegen
Eine andere Technik, von der viele Mitarbeiter berichteten, war die Refokussierung. "Einige sprachen von dem Schalter, den sie morgens umlegen", sagt Sebastian. "Ein anderer erzählte, dass er morgens seinen Kopf in den Spind legt und ihn abends wieder mitnimmt."
"Ein Mitarbeiter erzählte, dass er morgens seinen Kopf in den Spind legt und ihn abends wieder mitnimmt."
Durch diese Techniken schaffen die Mitarbeiter professionelle Distanz. "So kommt es nur selten zu Fällen, in denen Erlebnisse mit nach Hause genommen werden", sagt Sebastian.